Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
es.«
»Was wollten Sie noch sagen?«
»Mir ist gerade noch rechtzeitig eingefallen, dass seine neue Frau… Tut mir Leid.«
»Das ist also auch schon durchgesickert?«
»Ja, wir wussten es bereits.«
»Glauben Sie, dass Juez Calderón die Wahrheit in diesem Fall kannte?«
»Ich weiß nicht, was ihm durch den Kopf gegangen ist. Es gab jede Menge inoffizielle Diskussionen zwischen ihm und meinen Männern. Er hat gesagt, dass er glaube, das Ganze sei eine lächerliche Fantasie, die durch Einschüchterung und Manipulation in den Kopf des Jungen gepflanzt worden sei. Das Gericht würde ihm kein Wort glauben. Er sagte, es wäre besser, wenn der Junge einen klaren und eindeutigeren Bericht von den Ereignissen geben würde, die ihm zugestoßen waren. Die Ermittler sprachen mit den Eltern, und der Junge tat, was man ihm sagte.«
»Wo waren Sie während der ganzen Zeit?«
»Krank. Blinddarmoperation.«
»Klingt nicht so, als wäre Gerechtigkeit geschehen.«
»Fairerweise muss man wie gesagt betonen, dass Sebastián Ortega vor Gericht keine der Darstellungen der Videoaussage des Jungen bestritten hat. Er hat sich überhaupt nicht verteidigt. Eine Revision des Verfahrens müsste möglich sein, aber soweit ich weiß, will Sebastián Ortega das nicht. Ich habe den Eindruck, dass er genau dort ist, wo er aus irgendeinem Grund sein will.«
»Meinen Sie, dass er psychologische Hilfe bekommen sollte?«
»Ja, aber er wird sie nicht annehmen. Ich habe gehört, dass er mit niemandem spricht. Er ist in Einzelhaft und hat seine Kommunikation mit der Welt auf das absolute Minimum reduziert.«
Falcón erhob sich zum Gehen. »Sagen Sie, erkennen Sie einen der Männer auf diesem Foto?«, fragte er und legte die Aufnahme von Ortega auf Montes Schreibtisch.
»Mein Gott, da ist er, der hijo de puta . Das ist Eduardo Carvajal. Wenn ich mich nicht irre, spricht er mit Pablo Ortega und jemandem, den ich nicht erkennen kann«, sagte Montes. »Nehmen Sie es mir aus den Augen, wenn Sie nicht einen erwachsenen Mann weinen sehen wollen, Inspector Jefe.«
»Vielen Dank«, sagte Falcón und nahm das Foto. Sie gaben sich die Hand, und er ging zur Tür. »Was hat Eduardo Carvajal eigentlich beruflich gemacht?«, fragte er, die Hand schon auf der Klinke.
»Er war Immobilienberater«, sagte Montes, der nun wieder verhärmt aussah, während er im Gespräch über Ortega relativ ausgeglichen gewirkt hatte. »Er war bis Ende der 70er, Anfang der 80er hier in Sevilla für Raúl Jiménez in der Baubranche tätig. Er stammte aus einer wohlhabenden Familie, die in der Gegend von Marbella etliche Grundstücke besaß. Nachdem er bei Raúl Jiménez gekündigt hat, hat er die erschlossen und verkauft. Er hat Kontakte vermittelt. Er kannte die richtigen Leute. Er hat Grundstücke für Tourismusunternehmen erschlossen und Hotels gebaut. Die Stadtverwaltungen haben ihm aus der Hand gefressen, alle Baugenehmigungen wurden durchgewinkt, und auch für die Finanzierung hatte er die nötigen Beziehungen. Er hat ein Vermögen gemacht.«
»Das heißt, sein großes Versprechen an Sie war glaubwürdig?«
»Unbedingt.«
Falcón nickte und öffnete die Tür.
»Was den Ortega-Fall angeht«, sagte Montes, »mache ich meinen Männern keine Vorwürfe, was nicht bedeutet, dass ich nicht mit ihnen darüber gesprochen habe, wie man so etwas in Zukunft besser angeht, aber man muss stark sein, um einer Persönlichkeit zu widersprechen, wie Juez Calderón eine ist.«
»Und sein Job ist es, einen Fall so aufzubauen, dass die Staatsanwaltschaft vor Gericht die größtmögliche Chance hat«, sagte Falcón. »In diesem Zusammenhang müssen schwierige moralische Entscheidungen getroffen werden, und Juez Calderón ist ein sehr fähiger Mann.«
»Sie mögen ihn, Inspector Jefe«, sagte Montes. »Das hätte ich nie gedacht.«
»Ich habe erst ein Mal mit ihm zusammengearbeitet – im Fall Raúl Jiménez. Er hat ihn sehr gut im Griff gehabt. Und er hat mich sehr gut im Griff gehabt, als ich nicht in dem Zustand war, eine Ermittlung zu leiten.«
»Erfolg verändert einen Menschen«, sagte Montes. »Manche Menschen sind für höchste Ehren ausersehen. Andere wie ich haben ihren Level erreicht und müssen damit zufrieden sein oder verrückt werden. Juez Calderón ist noch nicht einmal vierzig und hat schon Dinge erreicht, von denen andere in ihrer gesamten Karriere nicht einmal träumen können. Es ist schwer, so etwas durchzuhalten… immer höhere Höhen zu erklimmen. Manchmal
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