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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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Ecken herumhängen, selbst Schwangere versuchten, ihren Leib anzubieten, um eine Münze zu ergattern, mit der man irgendwann vielleicht würde Mehl kaufen können. Irgendwann. Wenn irgendwer in die staubige Erde Getreide gesät und geerntet haben würde. Viele würden diesen Tag nicht mehr erleben, das Wissen las man in ihren Augen.
    »Hier gibt es nichts für euch«, schnauzte denn auch einer der Fischer, der seinen Hunger mit einer Handvoll Muscheln zu stillen versuchte, die ihm ein kleiner Junge
aus dem See gebracht hatte. Er schlang sie roh hinunter. »Nichts gibt es hier, dem verdammten Guiscard sei Dank!« Damit entriss er dem Kleinen drei weitere Muscheln und versetzte ihm einen solchen Tritt, dass er auf den Rücken fiel und greinend liegen blieb. Ein griechischer Fluch folgte dem Tritt, dann drehte der Mann sich um. »Und nun zum Geschäft.« Er schlürfte auch diese geöffnete Muschel vor ihren Augen aus und wischte sich die schleimigen Spuren mit dem Handrücken quer übers Gesicht. »Geschäfte gibt es immer, ich verhandle auch mit dem Teufel, wenn es sein muss. Euch sehe ich jedoch an, dass Ihr leichter zufriedenzustellen seid.« Sein Grinsen glänzte vor Falschheit.
    Der Fischer besaß nämlich ein Boot, gut versteckt, um in Zeiten des Mangels einen besonders guten Erlös zu erzielen - und ja, es war jetzt rein zufällig zu haben. Listig glitzerten seine schwarzen Augen, und er leckte sich ein Paar feiste, bläulich schimmernde Lippen, während er versuchte, die Frau hinter dem zerlumpten Ritter auf Geschmeide und Goldstücke abzuschätzen. Ima fühlte seinen Blick wie eine gierige Hand über ihren Leib wandern und in jeder verborgenen Tasche verschwinden. Die Taschen waren leer, doch das musste er ja nicht wissen, und in gehässiger Stimmung ließ sie ihm den Spaß.
    Gérard stritt sich erbittert mit dem Fischer, denn natürlich überstieg der Preis für das womöglich allerletzte Boot von Bundicia seinen tatsächlichen Wert um ein Vielfaches und war einfach lächerlich, was der Mann natürlich wusste und weswegen er den Preis noch einmal erhöhte.
    »Du versündigst dich, Mann!«
    »An meiner Stelle würdet Ihr ebenso handeln, edler Herr«, jammerte der Fischer. »Ich will nur essen, und mein Weib, die alte Mutter und meine sieben hungernden Kinder …«
    »Sei nicht albern, ich glaube dir kein Wort!«

    »Gott wird Euch dafür strafen …«
    »Gott straft die Lügner und die Wucherer und die Gierigen und die …«
    »Eure Hochnäsigkeit, niemals verkaufe ich Euch mein Boot!«
    »Gib ihm das Pferd, Gérard«, unterbrach Ima schließlich verärgert das Geschrei der beiden. »Gib ihm das Pferd - und er soll uns segeln. Jetzt gleich.«
    Schweigen.
    »Ich soll Euch segeln?«, stotterte der Bootsbesitzer.
    »Ja, wer denn sonst?« Ima trat aus dem Schatten und ließ die Kapuze fallen. »Mein Beschützer führt das Schwert wie kein anderer - doch segeln, guter Mann, segeln gehört nicht zu den Aufgaben eines Kriegers. Sicher weißt du das.«
    Ihre Stimme hatte einen scharfen Ton bekommen, jenen Ton, der Bedienstete in die Knie zwang und den Gérard nicht mochte. Der Ton gehörte jedoch zu Ima wie ihr blondes Haar und die blauen Augen, die sie von ihrem Vater geerbt hatte - genau wie diesen herablassenden Tonfall. Gérard riss sich zusammen und schluckte den aufkommenden Ärger herunter. Denn es galt ja nicht ihm. Außerdem bekam sie mit diesem Ton stets das, was sie begehrte.
    Sie tauschten das Pferd samt Zaum gegen das Boot mit Bootsführer. Umstehende beglückwünschten den Fischer zu diesem wahrhaft guten Geschäft. Begeistert hieben sie ihm auf die Schultern, und Gérard überlegte, wann das Pferd wohl im Kopftopf landen würde - und vor allem: in wessen Kopftopf. Ausgemergelt, wie sie alle aussahen, würde es den Abend wohl kaum mehr erleben. Mit Abscheu wandte er sich ab und lenkte den Blick aufs Wasser, wo irgendwo in der Ferne das Schiff mit der fiebernden Herzogin verschwunden war.
    »Du musst schnell segeln, hörst du?«, sagte Ima da zu dem Fischer, der sich von der Menge losgerissen hatte und
sie zu einem kleinen Verschlag führte. Hier tauchte unter Strohmatten tatsächlich ein Boot auf. Hastig sah er sich nach ihr um.
    »Was? Schnell? Ja, natürlich …«
    »Ich wünsche ein Schiff einzuholen.«
    »Ein - was? Ein Schiff wollt Ihr einholen? Gute Dame - jedem Fischer hat Gott ein Tempo gegeben«, sagte der Mann da böse und warf ihr die Matten vor die Füße. »Und jedes Tempo hat den Wind, den

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