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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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Salerno erkannte Bohemunds außergewöhnlichen Mantel. Sicaildis’ Augen rundeten sich, ihr kunstvoll zerzaustes Haar wirkte noch eine Idee dramatischer, als sie den Kopf reckte.
    »So, so. Die Heilerin. Wer hat Euch erlaubt …«
    »Ihr, ma dame .« Ima blieb stehen. Gérard erhob sich hastig, um zur Stelle zu sein … Ich brauche dich nicht , hallte da ein nächtliches Echo in seinem Kopf wider. Sie brauchte ihn nicht. Verflucht. Sie brauchte ihn nicht. Er hatte sie verloren, durch eigene Schuld. Trotzdem zog er sein Gambeson gerade und schnallte das Schwert um. Das fühlte sich einfach besser an, auch wenn ihm das Kettenhemd fehlte. Wenn es zum Kampf kam, wollte er wie ein Ritter sterben.
    Es gab keinen Kampf. Sicaildis marschierte scharf an ihm vorbei und auf Ima zu.
    »Ich habe niemandem erlaubt …«
    » Ma dame , ich habe den Herzog für die Reise vorbereitet«, unterbrach die Ärztin ein weiteres Mal, diesmal mit leiser Ungeduld in der Stimme. »Wenn Ihr Euch erinnern möchtet, so habt Ihr mich mit seinem Leichnam betraut, ma dame . Noch ist die Luft kühl. Es wäre klug, ihn jetzt gleich an Bord zu bringen und ablegen zu lassen. Der Leichnam ist in keinem guten Zustand …«
    »Dann habt Ihr Eure Arbeit nicht richtig gemacht!«
    » Ma dame , er tut das, was jeder Leichnam tut: Er verwest«, sagte Ima leise.
    »Wie redet Ihr vom Herzog von Apulien!«, fauchte die alte Dame sie an, und ihr graues Haar sprühte Funken. Niemand aus ihrem Gefolge bewegte sich, doch vermutlich weniger aus Angst vor ihrem Zorn als vielmehr aus Furcht vor dem furchtbaren Gestank, der den Platz die ganzen
Tage umgeben hatte. Jetzt hatte er sich merkwürdigerweise verringert.
    »Was habt Ihr mit ihm gemacht - was habt Ihr mit meinem Herrn gemacht?«
    Ima holte Luft und wies ihr den Weg. » Ma dame , nichts, was nicht jede andere Totenfrau auch gemacht hätte. Er ist bereit für seine letzte Reise.«
    Sicaildis stob an ihr vorbei, ein Tuch auf ihr Gesicht gedrückt. Kopfschüttelnd sah Gérard ihr hinterher. Sie marschierte auf das Zelt zu, von dem die Seitenwände heruntergerissen worden waren. So stand es nur noch auf seinen Pfosten, und allein das Dach bot Schutz vor der Sonne. Der sanfte Morgenwind umspielte von allen Seiten die Bahre des Toten und verteilte den furchtbaren Geruch gnädig in alle Richtungen. Aus dem Kohlefeuer rauchten Lavendel und Melisse, die Kohle stammte von einer Zeder und duftete süß. Fast hätte man vergessen können, wie sich das Zelt gestern noch dargeboten hatte.
    In der Mitte stand die zugedeckte Bahre, verhängt mit kostbaren Tüchern, die offenbar in den Truhen auf ihren Einsatz gewartet hatten. Auf den Kerzenhaltern steckten frische Kerzen. Sie flackerten voller Unschuld im Wind. Sicaildis schlich um die Bahre herum. Ihre Hände zuckten nervös, als würden sie nur zu gern an den Decken zupfen, um zu schauen, was sich darunter befand. Ob sie es noch wiedererkannte. Ob es wirklich ihr Herr und Geliebter war, der dort lag und schlief. Ob alles nur ein böser Traum war … Doch sie ließ es bleiben, sie war nicht dumm.
    Stattdessen befahl sie, alle Priester aus dem Lager zu holen, um für ihren geliebten Herzog ein letztes Hochamt an diesem Ort zu feiern, der ihn so fest mit seinem Heer verbunden hatte und der als Sterbeort in die Annalen eingehen würde.

    »Und natürlich, um für eine gute Heimreise zu beten«, schloss sie ihr Ansinnen.
    » Ma dame , wäre es nicht besser, den Heimweg sofort anzutreten und das Hochamt auf dem Schiff …« Ima verstummte. Die Herzogin näherte sich ihr, heftigen Ärger im Blick. Dicht vor ihr blieb sie stehen und fasste nach dem Mantel. Ihre spitzen Finger fuhren an der Kante entlang und wanderten hoch zu der Fibel. Mit den Fingerkuppen umschmeichelten sie den Edelstein, dann fuhren die Finger an der schlanken Gestalt wieder herab.
    »Ich weiß nicht, auf welche Weise Ihr in den Besitz dieses Mantels geraten seid, Ima von Lindisfarne. Er steht einer Frau, wie Ihr es seid, sicher nicht zu.«
    »Der Mantel ist ein Geschenk gewesen, ma dame .« Böse Ahnungen erfassten sie, und sie begann, unter dem Mantel zu beben. Die Herzogin fixierte die Fibel. Um Ima aus so großer Nähe in die Augen schauen zu können, hätte sie den Kopf in den Nacken legen müssen, was offenbar unter ihrer Würde war. So sprach sie lieber mit der Fibel ihres verhassten Stiefsohnes. Es transportierte auch das rechte Maß an Verachtung.
    »Ach. Ein Geschenk - so. Ich nehme an, Ihr seid dem

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