Die Totgesagten
klar, komm rein, ich schreibe gerade ein paar Berichte fertig.« Martin winkte Patrik herein.
»Was ist los? Du siehst bedrückt aus.«
»Ich weiß nicht recht, was ich von der Sache halten soll. Heute Vormittag haben wir den Obduktionsbericht von Marit Kaspersen bekommen. Irgendwas kommt mir da seltsam vor.«
»Was denn?« Martin beugte sich interessiert vor. Er er innertesich, dass Patrik schon am Unfalltag etwas Ähnliches gemurmelt hatte, aber er musste zugeben, dass er seitdem nicht mehr daran gedacht hatte. Patrik hatte es auch nicht mehr erwähnt.
»Pedersen hat alles aufgeschrieben, was er gefunden hat. Telefoniert haben wir auch, aber wir werden nicht ganz schlau aus der Sache.«
»Erzähl.« Martins Neugier wuchs von Sekunde zu Sekunde.
»Erstens ist Marit nicht durch den Unfall zu Tode gekommen. Sie war bereits tot.«
»Wie bitte? Hatte sie einen Herzinfarkt, oder was?«
»Nein.« Patrik kratzte sich am Kopf. Er wendete den Blick nicht vom Obduktionsbericht ab. »Sie ist an einer Alkoholvergiftung gestorben. 6,1 Promille.«
»Du machst Witze! 6,1 Promille würden ja ein Pferd umhauen.«
»Stimmt. Laut Pedersen muss sie eine ganze Flasche Wodka getrunken haben. Innerhalb kürzester Zeit.«
»Aber ihre Angehörigen behaupten, dass sie nie Alkohol getrunken hat.«
»Ganz genau. Sie weist auch keine Anzeichen von Alkoholmissbrauch auf, was mit hoher Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass sie keine erhöhte Toleranz gegenüber Alkohol hatte. Folglich muss ihr Organismus ziemlich schnell reagiert haben.«
»Sie hat sich also aus irgendeinem Grund die Kante gegeben. Das ist zwar tragisch, kann aber vorkommen.« Martin staunte über Patriks offensichtliche Zweifel.
»So scheint es. Pedersen hat jedoch etwas gefunden, was die Geschichte verkompliziert.« Patrik schlug ein Bein über das andere und suchte fieberhaft nach der richtigen Stelle im Bericht.
»Hier steht es. Ich gebe mir Mühe, es verständlich auszudrücken, Pedersen schreibt ja immer so kryptisch. Also, sie hatte so merkwürdige blaue Flecke rings um den Mund.Auch Mundhöhle und Speiseröhre wiesen Verletzungen auf.«
»Was willst du damit sagen?«
»Ich weiß nicht.« Patrik seufzte. »Für eine klare Aussage reicht es nicht. Pedersen kann nicht mit absoluter Sicherheit widerlegen, dass sie sich im Wagen einen Vollrausch zugezogen hat, an der Überdosis gestorben und vom Weg abgekommen ist.«
»Ist Sonntagabend irgendein auffälliges Fahrzeug gemeldet worden?«
»Soweit ich weiß, nicht. Auch das ist seltsam. Andererseits herrschte um diese Zeit kein starker Verkehr. Vielleicht hatte sie einfach Glück, dass sie in keine Verkehrskontrolle geraten ist.« Patrik machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Die äußeren und inneren Verletzungen im Mundbereich kann Pedersen jedoch auch nicht erklären. Ich denke, wir sollten die Sache näher untersuchen. Es kann schon sein, dass es sich um einen gewöhnlichen Fall von Trunkenheit am Steuer handelt. Vielleicht aber auch nicht. Was meinst du?«
Martin überlegte eine Weile. »Du hattest von Anfang an das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Meinst du, dass du bei Mellberg damit durchkommst?«
Patrik sah ihn nur an, und Martin begann zu lachen.
»Es kommt darauf an, wie man es verpackt.«
»In der Tat, auf die Verpackung kommt es an.« Patrik stimmte in Martins Lachen ein und stand auf. Dann wurde er wieder ernst.
»Glaubst du, dass ich mich irre? Vielleicht mache ich ja auch aus einer Mücke einen Elefanten. Schließlich hat Pedersen keinen konkreten Hinweis darauf gefunden, dass es sich nicht um einen Unfall handelt. Aber diese Sache …« Patrik wedelte mit dem Obduktionsbericht. »… erinnert mich an irgendwas. Leider komme ich ums Verrecken nicht …«
»Lassuns den Details nachgehen, dann sehen wir, wohin sie uns führen. Vielleicht fällt dir ja wieder ein, woran dich der Fall erinnert.«
»Du hast recht«, stimmte Patrik zu. »Als Erstes spreche ich mit Mellberg. Wollen wir uns anschließend noch mal mit Marits Lebensgefährtin unterhalten?«
»Klingt gut.« Martin wendete sich wieder seinen Berichten zu. »Hol mich ab, wenn du es hinter dir hast.«
Patrik war bereits an der Tür, als Martin noch etwas einfiel. »Ich wollte dich schon länger fragen, wie es bei euch zu Hause läuft. Mit deiner Schwägerin und so.«
Patrik lächelte. »Wir haben wieder Hoffnung. Anscheinend hat Anna das Schlimmste überwunden. Das haben wir größtenteils Dan zu verdanken.«
»Dan?« Martin war
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