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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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»Seid gegrüßt, Herr.« Sie zeigte auf ein Stück Fleisch. »Sind das nicht ganz wunderbare Stücke von der hohen Hüfte? Genau das Richtige für einen edlen Herrn, wie Ihr es seid.« Sie lächelte warm.
    Erhard kam nicht umhin, sich geschmeichelt zu fühlen. »In der Tat, Eure Ware ist von bester Qualität, das ist nicht zu übersehen. Aber verzeiht mir, ich bin heute nicht hier, um gut einzukaufen, denn ich bin nur auf der Durchreise. Mein Begehr ist es, den Meister Fridel zu sprechen.«
    Die Frau verlor ihre Freundlichkeit nicht, nickte und verschwand im Haus. Einen Moment später trat ein Hüne von einem Mann durch die Tür und reichte Erhard die Hand. »Mein Weib sagte mir, ein Fleischkenner wolle mich sprechen. Mit wem habe ich die Ehre?«
    Erhard drückte seine Hand fest. »Erhard Füger ist mein Name, ich bin Wirt und Karcher und komme aus Reutlingen.«
    »Seid willkommen. Wie kann ich Euch helfen?«
    »Nun, der Wirt vom ›Wilden Mann‹ schickt mich zu Euch. Ihr seid offenbar der Mann, an den man sich wenden muss, wenn man mehr über ein schreckliches Verbrechen erfahren möchte, das sich vor etwa zwei Jahren vor den Toren der Stadt zutrug.«
    Meister Fridel zog scharf die Luft ein. »Ihr sprecht von dem Überfall auf den Handelszug, nehme ich an. Was hat ein Karcher aus Reutlingen damit zu schaffen?«
    Erhard senkte die Stimme. »Das will ich Euch gern erklären. Doch vielleicht nicht vor Zeugen.« Er warf einen Blick in Richtung Fleischbank, wo inzwischen Kundschaft aufgetaucht war und mit der Fleischersgattin um den Preis für ein paar Suppenknochen feilschte.
    Meister Fridel nickte. »Kommt mit.« Er führte Erhard ins Innere des Hauses, in eine Art Vorraum, in dem einige leere Käfige herumstanden und Seile und eiserne Haken von den Wänden hingen. Durch den Türspalt erkannte Erhard einen weiteren Raum, in dem ein Geselle damit beschäftigt war, eine Schweinehälfte zu zerlegen.
    »Entschuldigt, dass ich Euch nicht in die gute Stube führe«, sagte Meister Fridel. »Ich habe nicht viel Zeit. Die Arbeit wartet.«
    »Das macht gar nichts«, erwiderte Erhard. »Ich bin Euch dankbar, dass Ihr Euch überhaupt die Zeit nehmt, mich anzuhören.«
    Der Metzger sah ihn an. »Ich gebe zu, Ihr habt mich neugierig gemacht. Was interessiert Euch an dieser schrecklichen Geschichte?«
    »Ich kenne jemanden, der vermutlich an dem Überfall beteiligt war. Ich weiß ziemlich sicher, dass diese Person den Schreiber aus Augsburg getötet hat, der unter den Opfern war.«
    Der Metzger hob die Augenbrauen. »Ach ja? Ist das so? Nun, wir hier in Urach wissen es ebenfalls, und nicht nur das: Wir haben die Hundsfötter auch gefangen, verurteilt und hingerichtet. Sieben Monate nach dem Überfall war das. Da haben sie nämlich noch einen Zug überfallen, fast an der gleichen Stelle, doch der war von hervorragend ausgebildeten Söldnern begleitet, die die Räuber kurzerhand überwältigt haben. Den meisten haben sie an Ort und Stelle den Garaus gemacht, und die wenigen, die überlebten, wurden einige Tage später vor den Toren der Stadt aufgeknüpft.«
    Erhard spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. »Seid Ihr sicher, dass es die gleichen Männer waren?«
    »So sicher, wie ich vor Euch stehe. Einige trugen noch die Waffen und Schmuckstücke bei sich, die sie bei dem ersten Überfall erbeutet hatten.« Der Metzger legte den Kopf schief. »Ihr hattet jemand anderen im Verdacht?«
    Erhard zögerte. Wie viel sollte er dem Mann erzählen? »Ich habe Kunde von einer jungen Frau«, begann er vorsichtig. »Ich habe gehört, sie sei bei dem Überfall gesehen worden.«
    Meister Fridel knallte die Faust auf einen der leeren Käfige. »Verfluchtes Gesindel!«, stieß er hervor. »Hört das denn nie auf?«
    Erhard wich erschrocken zurück. Der Ausbruch des Hünen hatte ihn vollkommen überrascht. Noch bevor er fragen konnte, worüber dieser so erbost war, begann Meister Fridel, von sich aus zu erzählen.
    »Vor einiger Zeit gab es oben auf der Alb, neben dem Dorf Hülben, einen verlassenen Hof«, berichtete er. »Nur ein altes Paar, Ida und Herrmann, lebten dort und fristeten ihr Dasein mehr schlecht als recht. Bis zu dem Tag, als eine junge Magd namens Mechthild dort auftauchte und begann, ihnen zur Hand zu gehen. Schon bald wurde sie den beiden Alten zur Tochter, und auch hier in Urach war das Mädchen gut gelitten. Dann eines Tages wurde ein Handelszug von einer Horde Räuber überfallen. Mechthild war zufällig in der Nähe und

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