Die Tränen der Massai
höflich ab.
»Arbeitest du hier?«, fragte er, nahm ein Stück Fleisch aus der Tüte aus gerolltem Zeitungspapier und steckte es sich in den Mund.
»Noch nicht. Ich suche nach Arbeit.«
»Was willst du denn machen?«
»Alles. Ich würde alles tun.«
»Wohnst du hier in der Nähe?«
»Ja. Da drüben. Bei meinem Onkel und meiner Tante.«
»Hm. Bist du sicher, dass du kein
Nyama Choma
willst? Es ist sehr gut.« Er hielt ihr die Tüte hin. Das Aroma war unwiderstehlich.
»Na ja, aber nur ein Stück.«
»Nimm ruhig mehr. Es ist so viel. Und ich spiele in einer halben Stunde Basketball.«
»Oh, du spielst Basketball …«
»Drei Tage in der Woche. Du nicht?«
»Basketball? Nein. Ich habe in der Schule gespielt. Das ist lange her.«
»Wie alt bist du?«
»Ich? Ich bin fü … beinahe achtzehn.«
»Du siehst aus, als könntest du gut Basketball spielen. Willst du mitkommen und zusehen?«
Sie war zu schüchtern, um Ja zu sagen, obwohl sie zu gern zugesehen hätte, wie der junge Mann mit den langen Wimpern und den dunkelbraunen Augen Basketball spielte. Sie schüttelte den Kopf.
Als sein Vater kam und mit ihm in einem Peugeot 404 davonfuhr, hätte Malaika es sich gerne noch einmal anders überlegt. Stattdessen ging sie nach Hause und hasste sich, weil sie die Möglichkeit verpasst hatte, dem schönsten Geschöpf, das sie je gesehen hatte, näher zu kommen. Aber zwei Tage später saß sie wie eine Prinzessin zusammen mit ihrem Prinzen auf dem abgewetzten Samtpolster des von Dr. Hussein gesteuerten 404.
Die Krankenhauswäscherei war heiß und feucht, aber Malaika summte ein Lied, während sie die warmen Betttücher faltete und für die Auslieferung an die Krankenstationen auf dem kleinen Wagen stapelte. Sie hielt das Ausliefern von Wäsche zu den Stationen für den besten Teil ihrer Arbeit, denn dann konnte sie sehen, was im Krankenhaus vor sich ging, und anderen Leuten begegnen – eine Gelegenheit, die sie den größten Teil ihres Arbeitstags hier unten in der Wäscherei im Keller kaum hatte. Sie war froh über die Arbeit, aber sie freute sich noch mehr, Jai gefunden zu haben. Er schien sie zu mögen. Als er sie das letzte Mal in der Wäscherei besucht hatte, hatte er ihre Hand gehalten und sie mit seinen weichen braunen Lippen geküsst. Dann hatte er ihre Brüste ganz sanft berührt – ein elektrisierendes Gefühl. Es hatte ihr Leid getan, dass er aufhörte, aber er war schüchtern zurückgewichen und hatte gesagt: »Ich komme zu spät zum Basketball.« Sie fürchtete, er würde es vielleicht nicht noch einmal versuchen.
Während des Nachmittags begann sie, sich Sorgen zu machen. Was, wenn er nicht kommen würde? Donnerstag war einer seiner Basketballtage. Er kam immer in die Wäscherei, bevor er nach draußen ging, um auf seinen Vater zu warten, der ihn zum Spiel fuhr. Aber wenn er nicht bald käme …
»Hallo?« Das war Jai. »Malaika?«
»Ich bin hier drin! Hier drin!« Sie schob ihren Afro zurecht und zupfte ihre saubere weiße Krankenhausuniform glatt.
»Hi!«
»Hallo.«
»Ich bin wieder da.«
»Ja. Spielst du heute Nachmittag wieder Basketball?«
»Ja, aber das Spiel fängt erst später an.« Er ging in der Wäscherei umher und strich mit der Hand über die Stapel von Laken und Handtüchern. »Puh, wird es dir hier nicht zu heiß?«
»Ich fange an, mich daran zu gewöhnen.« Zwei Wochen nachdem sie angefangen hatte, war sie beinahe ohnmächtig geworden. Jais Vater, Dr. Hussein, hatte ihr gesagt, sie müsse viel trinken.
»Ich weiß nicht, wie du das aushältst. Sieh mich nur an. Ich schwitze schon.« Er zog sein T-Shirt über den Kopf.
Sie sah, wie sich seine Brustmuskeln bewegten, als er mit dem engen Kleidungsstück rang.
»Viel besser«, sagte er und warf das Hemd auf den Tisch.
Er bemerkte, dass sie ihn anstarrte, aber sie konnte den Blick einfach nicht abwenden. Sein Körper zog sie unwiderstehlich an, und sie fuhr mit den Fingern über seine glatte braune Haut. Sie konnte jede Rippe zählen, aber seine Schultern und Arme waren dabei, die Form und Proportionen eines Männerkörpers anzunehmen. Malaika begann zu zittern und klammerte sich an ihn, spürte die seidig glatte, bräunliche Haut an ihrer Wange.
Jai nestelte an den Knöpfen ihrer Bluse. Endlich war Malaika frei von der Person, die sie in Mwanza gewesen war – Objekt von grausamem Spott, Gegenstand der lüsternen Witze aller Jungen. Sie sah zum ersten Mal, was die Schönheit ihres Körpers bewirken konnte, als
Weitere Kostenlose Bücher