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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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und er machte seine Sache so gut, dass sie nach einigen aufregenden Tagen ohne größere Schwierigkeiten vor den Toren von Genua eintrafen.
    Ganz im Gegensatz zu den Schilderungen der Comtesse d’Angoulême schien es so, als wäre die Lage in der Stadt ruhig. Im Hafen waren Genueser Arbeiter damit beschäftigt, ganze Schiffsladungen mit Luxusgütern zu löschen. Am Quai stapelten sich ballenweise kostbare Stoffe und Orientteppiche, Möbel aus exotischen Hölzern und andere wertvolle Gegenstände und natürlich Gewürze, Pelze, Ebenholz und Elfenbein.
    Alix konnte sich an dem bunten Farbenspiel der vielen kostbaren Waren gar nicht sattsehen. Hinzu kam das geschäftige Treiben der Hafenarbeiter, das an Lautstärke zunahm, sobald ein Makler oder ein Kommanditär auf der Suche nach einem Kunden erschien.
    »Erinnerst du dich noch an deine Zeit als Hafenarbeiter, Leo?«, fragte sie ihren Kutscher.
    »Und ob! Ich bin froh, dass ich das nicht mehr machen muss, Dame Alix. In Euren Diensten geht es mir viel besser!«
    Plötzlich hatte er etwas entdeckt und hielt sich die Hand vor die Augen.
    »Seht nur, da hinten ist ein Sklavenmarkt.«
    »Ein Sklavenmarkt!«, wiederholten Alix und Angela einstimmig und blickten in die Richtung, in die Leo wies. Etwas im Hintergrund hatten sich Passanten um einen Mann versammelt, der laut gestikulierte, um die Leute auf sich aufmerksam zu machen.
    »Gütiger Himmel!«, murmelte Alix, »dass es heute noch Sklavenmärkte gibt! Ich dachte, das sei ein barbarischer Brauch aus längst vergangenen Zeiten.«
    Das Bild, das sich ihr hier bot, hatte sie noch nie gesehen. Als sie näher trat, stellte sie erstaunt fest, wie außergewöhnlich schön diese Frauen und Männer waren, die auf einem Podest im Kreis herumgehen mussten.
    Florentiner und Venezianer schätzten hübsche Sklaven aus Asien sehr und ließen sie sich durchaus etwas kosten. Für einige hunderte Golddukaten durfte dann zum Beispiel ein reicher Mann eine schöne Sklavin mitnehmen und sie zu seiner Gespielin machen. Die ansehnlichen jungen Männer kamen vielleicht in das stattliche Anwesen einer vornehmen Dame, die sich mit wohlgestalteter Männlichkeit umgeben wollte, oder in die Privatgemächer eines hochgestellten Geistlichen, der nicht in weiblicher Gesellschaft schwelgen durfte, weil ihm das von der Kirche verboten war.
    Alix und Angela wollten sich das Spektakel aus der Nähe ansehen und merkten gar nicht, dass sich Constance, für die so ein Markt vermutlich nichts Neues war, von ihnen getrennt hatte. Der Sklavenhändler hatte noch nicht allzu viele Passanten angelockt. Obwohl es in der Stadt ruhig schien, hatten die jüngsten Ereignisse die Genueser wohl doch aufgeschreckt, und Venezianer und Florentiner blieben deshalb lieber zu Hause, weshalb sich bisher nur wenige Leute um das Podest versammelt hatten.
    Die Galeeren aus Konstantinopel waren erst am Morgen angekommen. Auf dem Quai hatten die Händler noch kaum die Waren an die Kapitäne bezahlt, als auch schon erste Schaulustige das Podest mit den damastbezogenen Stufen umringten. Oben gingen Männer und Frauen barfuß mit leerem Blick und hängenden Armen im Kreis herum. Nur wenn sich ein Kaufinteressent meldete und mit dem Finger auf einen der Sklaven zeigte, stockte ihr schleppender Schritt.
    Ausnahmslos alle hatten wohlgeformte Körper. Die Männer
mussten die Muskeln unter ihrer gebräunten Haut und die Frauen genug von ihren Reizen zeigen, damit sie Interessenten anlockten. Natürlich waren die hier ausgestellten Sklaven samt und sonders sorgfältig ausgewählt und untersucht worden, damit sie alle Kriterien für eine Versteigerung an den Meistbietenden erfüllten.
    Die Männer trugen ein grobes Leintuch um den Bauch, das die Hüften bedeckte, und ihr nackter, brauner Oberkörper spannte sich wie ein schussbereiter Bogen, weil man ihnen befohlen hatte, ihre perfekte Muskulatur zur Schau zu stellen.
    Die Frauen hatten nur eine kurze, dünne Tunika an, damit Beine, Schultern, Arme und die Brüste zu sehen waren, die sich in Erwartung reichlich trauriger Eroberungen wölbten.
    Wie gefangene Raubtiere in einem Käfig liefen sie die ganze Zeit im Kreis und blieben nur stehen, wenn es ein Kunde verlangte. Dann wandte sich der Sklavenhändler, der dauernd mit seiner Peitsche knallte, an den Kunden und fragte ihn nach seinem Gebot.
    »Das hier erinnert mich sehr daran, wie Ihr mich aus den Klauen dieses grauenhaften flämischen Webers gerettet habt«, stöhnte Angela

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