Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
denn nun? Verdammt noch eins! Wer ist der Erzeuger eines so schönen Mädchens?«
Alix schwieg verlegen. Wer waren diese Soldaten überhaupt? Wahrscheinlich würden sie abfällig die Stirn runzeln, oder noch schlimmer, sie ausfragen, bedrängen und in die Enge treiben, wenn sie den Namen eines Florentiners hörten, der plötzlich ein Feind der Franzosen war.
Tania, die sich bereits geknebelt und an Händen und Füßen gefesselt wieder auf einem Sklavenmarkt im Kreis herumlaufen sah, erwiderte kopflos:
»Seigneur d’Amboise ist der Vater.«
Obwohl es weiterhin Kanonenkugeln hagelte, führte das zu allgemeiner Heiterkeit – nur Charles d’Amboise blieb das Lachen im Halse stecken.
Allerdings blieb ihm gar nichts anderes übrig, als sich mit seiner vermeintlichen Vaterschaft abzufinden, wenn er nicht die Freiheit von Alix aufs Spiel setzen wollte, die ihrerseits nur an Alessandro dachte.
Außerdem musste Alix auf Angela und Leo warten, die nach Florenz zurückgekehrt waren, nachdem sie die Soldaten in Mantua getrennt hatten, weil sie Alix für eine Spionin hielten. Ein Bote von Charles d’Amboise hatte Constance dringend abgeraten, noch einmal in die Nähe des Schlachtfelds zu kommen, wo die Kanonen weiter Bologna und Venedig unter Beschuss nahmen. Deshalb würde Alix ihre Cousine erst im Val de Loire wiedersehen.
Während der Fahrt durch die Romagna versteckte sie sich mit ihrer Tochter im Arm ganz hinten in der Kutsche, deren Fenster verdunkelt war. Charles d’Amboise ritt voraus und schlug ein mäßiges Tempo an, damit sich Alix, die praktisch ständig schlief, ein wenig erholen konnte.
Wenn Alix vor sich hin dämmerte, nahm Tania das Kind und zwang sich, wach zu bleiben. Seit ihr Bruder mit dem erstgeborenen Zwillingsmädchen geflüchtet war, machte sie nur noch den Mund auf, wenn man ihr eine Frage stellte. Alix war jedoch viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass ihr das aufgefallen wäre. Nur Angela versuchte die plötzliche Veränderung ihrer Freundin zu verstehen.
»Haben Euch die Soldaten etwas angetan, Tania?«, fragte sie, als Alix schlief. Sie dachte, die rohen Kerle hätten dem Mädchen vielleicht die Unschuld geraubt und dass sie deshalb so verstört war. Aber Tania sagte nur: »Nein, Angela, niemand hat mich angefasst.«
Als Angela sah, dass ihre Freundin schlafen wollte, weil sie ebenfalls von den Strapazen der vergangenen Tage erschöpft war, nahm sie das Kind und ließ sie in Ruhe.
Im Piemont schien Alix wieder ganz hergestellt. Bis zur Grenze war es nicht mehr weit. Sie öffnete das Fenster und sah hinaus. Charles d’Amboise hatte wohl ihren Blick gespürt, weil er sich nach ihr umsah, sein Pferd wendete und neben der Kutsche herritt.
Er warf einen Blick durch das Fenster, deutete ein Lächeln an, als er sah, dass das Kind in Angelas Armen schlief, und fragte ein wenig spöttisch:
»Wie heißt denn nun dieses Kind, dessen Vater ich sein soll?«
Alix wurde rot, weil Angela offensichtlich nicht auf dem Laufenden war. Tania hatte ihr wohl noch nicht von der peinlichen Ausrede erzählt, was Alix sehr unangenehm war.
»Es heißt Valentine«, antwortete sie, ohne nachzudenken.
»Nun denn, seid gegrüßt, schöne Valentine!«, rief Charles d’Amboise. »Ich bin sehr erfreut zu sehen, dass es Euch gut geht.«
Dann wandte er sich an Alix.
»Wollt Ihr vielleicht ein Stück mit mir reiten? Mein Pferd kann ohne weiteres zwei Reiter tragen.«
Alix musste daran denken, dass Charles d’Amboise sie kaum kannte. Vor ihrer überstürzten Abreise aus Florenz hatte sie ihn lediglich einmal bei Constance getroffen, und da hatten sie nur wenige Worte gewechselt. Eigentlich hatten sie nur seine Werkstätten in Chaumont interessiert.
»Wenn Ihr einen Augenblick warten würdet? Ich habe noch gar nicht die Zeit gefunden, mich umzuziehen, seit …« – Alix errötete – »… seit ich meine Tochter zur Welt gebracht habe.«
Sie verschwand wieder im Wagen, zog den Vorhang zu und machte sich auf die Suche nach einem anderen Kleid. Angela hatte ihre Kleider in einem der Koffer unter den Sitzbänken verstaut. Alix wählte ein Kleid aus nachtblauem Samtbrokat mit einer langen Schleppe und weißen Fellbesätzen.
Sie zögerte kurz, ehe sie hineinschlüpfte, sagte sich dann aber, dass es so früh am Morgen noch kühl war und ihr der dicke Stoff nicht zu warm sein würde.
»Halt an, Leo, und spanne Cesarine aus«, rief sie. »Ich glaube, es täte mir gut, ein Stück zu
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