Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
Wohnsitz haben. Wenn ich erst König bin, werde ich in der Nachbarschaft ein Lustschloss bauen.«
»Chenonceau wurde bereits zur Kastellanei erklärt, François«, sagte Catherine, weil sie ihn gehört hatte, obwohl er sehr leise gesprochen hatte. »Wir haben alle Ländereien um das ehemalige Schloss herum gekauft.«
Ein Lustschloss. François wusste gar nicht, wie wahr er sprach! Als er die Wälder von Chenonceau und das ganze wildreiche Gebiet um den alten Donjon bewunderte, konnte er natürlich nicht ahnen, dass dieses Schloss nur dank Catherine Briçonnet, der Gattin von Monsieur Bohier, Gestalt annehmen sollte. Noch viel weniger konnte er wissen, dass er diesen gesamten Besitz viel später einmal zu einem Spottpreis erwerben würde.
»Wie könnt Ihr denn in Abwesenheit Eures Gatten das Schloss bauen?«, fragte François. »Soweit ich weiß, hält er sich noch länger in Italien auf.«
»Sire de Bohier lässt mir freie Hand. Meine Pläne sind auch seine Pläne.«
»Und in welchem Stil wollt Ihr es bauen?«, fragte Alessandro.
»Ich will mich ganz von der italienischen Architektur inspirieren lassen, und mit diesem Schloss wird die Renaissance auch in Frankreich Einzug halten.«
François war zutiefst beeindruckt. Es schien fast so, als hätte sich ihm plötzlich eine andere Welt eröffnet, die nicht mehr nur aus den harmlosen Sorgen eines verwöhnten Jugendlichen bestand.
»Aber welche besondere Note wollt Ihr ihm geben?« Der junge Graf wollte es ganz genau wissen.
Alessandro war auch vom Pferd gestiegen, nahm Alix in den Arm und drückte sie an sich.
»Ein Schloss an einem so wunderschönen Ort und erbaut von einer Frau kann nur der Liebe gewidmet sein«, sagte er leise und küsste Alix auf den Hals.
François war über diese Feststellung sehr erstaunt, stimmte aber gleich zu.
»Ihr habt recht, ein Schloss mit einer Frau als Bauherrin kann nur eine Hymne auf die Liebe sein!«
Er war sichtlich begeistert von diesem schönen Sinnspruch, den er sich für passende Gelegenheiten merken wollte.
»Anstelle des früheren Herrenhauses will ich einen Pavillon über den Cher bauen«, erläuterte Catherine ihre Pläne.
»Über den Cher! Wie soll das gehen?«
»Es wurde bereits alles untersucht und geplant. Die Architekten verwenden die Pfähle der alten Wassermühle, die in ein Granitbett eingelassen und deshalb sehr solide und schier unverwüstlich sind.«
»Wie geht es dann weiter?«, wollte François wissen. Er interessierte sich offensichtlich viel mehr für die Baupläne als der Duc de Nemours, der ebenfalls abgesessen war, Marguerites Hand hielt und nur Augen für sie hatte.
»Die viereckige Form des Hauptgebäudes soll das ganze Ensemble und den Zusammenklang von Dächern, Fenstern und Ecktürmen bestimmen«, erklärte Catherine.
»Das hört sich allerdings wirklich sehr nach italienischem Einfluss an.«
»Das Schloss Chenonceau soll keine Zugeständnisse an die Mode oder die Zeit machen, mein lieber Alessandro. Wachtürme, Zinnen und Pechnasen sollen nur noch Zierrat sein. Ich will ein einladendes Schloss mit blühenden Blumen und arabeskenverzierten Ecktürmchen und herrlichen Skulpturen, ich wünsche mir Balkone und bis zum Dach hinauf schöne Fresken.«
Sie musste lachen.
»Wie Ihr seht, brauche ich sehr viel Geld, mein lieber Alessandro«, sagte sie und fügte, an François gewandt, hinzu: »Wenn es vollendet ist, wird es an mich erinnern.«
»Was soll das heißen?«, fragte Alix.
»Diesen Sinnspruch werde ich über dem Eingang anbringen lassen, damit man sich meiner stets erinnert.«
»Ihr seid also verantwortlich für den Bau!«
»Ja, und mehr noch, Alix. Sobald die Finanzierung gesichert ist, habe ich allein die Bauleitung. Das neue Schloss wird Euch bestimmt gefallen, mein lieber Alessandro. Keine unbequemen, engen Wendeltreppen mehr, sondern breite Treppen, die von einer Etage in die nächste führen, und große Fenster, die viel Licht in die geräumigen Zimmer lassen, die um ein großes Vestibül gruppiert sind – eben ganz wie in Italien.«
»Da habt Ihr viel Arbeit vor Euch«, meinte der Bankier anerkennend, »und ich kann Euch nur viel Glück und Erfolg wünschen.«
Dame Bohier durfte zufrieden sein. Sie hatte ihr Ziel erreicht. Der Bankier, den sie für die Finanzierung ihrer Pläne und Ideen brauchte, hatte diese gutgeheißen und befürwortete außerdem als Florentiner ihren sehnlichsten Wunsch, die italienische Renaissance ins Val de Loire zu holen.
8.
»Das Schicksal
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