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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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und überlegte.
    Blanche stieg aus der Kutsche und kam ängstlich näher.
    »Was ist passiert?«, fragte sie und hob den Saum von ihrem Kleid an, damit es nicht schmutzig wurde.
    »Morpheus hat ein Hufeisen verloren.«
    »Du lieber Himmel!«, rief Madame de Chatillon. »Das hat uns gerade noch gefehlt.«
    Sie ließ ihr Kleid los und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Vor Schreck war sie ganz blass geworden.
    »Macht Euch keine Sorgen, Blanche«, beruhigte sie Marguerite. »Uns wird schon etwas einfallen.«
    Jean-Baptiste war mit seinen Überlegungen offenbar zu einem Schluss gekommen und brummelte:
    »Wir müssen sehen, dass wir bis zum nächsten Gasthaus kommen, und Morpheus dalassen.«
    »Einverstanden, aber nur, wenn wir auf dieser Straße bleiben«, beeilte sich Marguerite zu sagen. »Ich reite ganz langsam, um mein Pferd zu schonen.«
    Nun hatte sie wenigstens einen Grund, sich Zeit zu lassen.
    »Dummerweise sind es bis zum nächsten Wirtshaus bestimmt zehn oder fünfzehn Meilen«, meinte der Kutscher und kratzte sich am Kinn. »Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als die Straße zu verlassen, Demoiselle Marguerite. Wenn wir hier abbiegen, weiß ich, wo man uns helfen kann.«
    »Hier abbiegen? Auf gar keinen Fall, Jean-Baptiste!«, rief Marguerite entsetzt.
    Der Kutscher war offentsichtlich irritiert über ihre heftige Reaktion, und Blanche sah sie nachdenklich an.
    Doch keinem von beiden blieb Zeit für einen weiteren Vorschlag, weil plötzlich ein Ritter in voller Montur in einer Staubwolke vor ihnen auftauchte.
    Marguerite entfuhr ein Schrei. Sie hatte mit solcher Ungeduld auf ihren Bruder gewartet und war nun vollkommen perplex, als sie Gaston de Foix, den Herzog von Nemours, mit einem strahlenden Lächeln auf sich zukommen sah.
    Wie mochte es ihm gelungen sein, François zuvorzukommen? Mit ihren Blicken stellte sie ihm die Frage, aber ihr Herz schlug so wild, dass sie kein Wort herausbrachte.
    Der Reiter, der dem jungen Mann gefolgt war, hielt sich etwas abseits. Nemours Pferd stampfte und trat unruhig auf der Stelle. Hals und Rücken waren schweißnass von einem offensichtlich strengen Ritt.
    Um Blanches missbilligenden Blicken zuvorzukommen, brach Marguerite einfach in lautes Gelächter aus und rief vergnügt:
    »Ihr hier, Duc de Nemours! Was für eine Überraschung!«, tat sie ahnungslos, während Jean-Baptiste erneut Morpheus’ Huf untersuchte, weil ihm die Situation etwas peinlich war.
    Mit einem eleganten Satz, bei dem seine Rüstung rasselte, sprang Gaston de Foix vom Pferd. Sein Schildknappe blieb im Sattel und hielt weiter gebührenden Abstand zu seinem Herrn.
    Der junge Mann ließ die Zügel seines Pferds los, das das Wappen der Nemours auf dem Harnisch trug, machte eine tiefe Verbeugung vor Marguerite und grüßte Blanche höflich.
    »Ich sah von Weitem, dass sich ein Kutscher um ein offenbar verletztes Pferd kümmerte«, begann er selbstbewusst. »Aber ich hatte natürlich keine Ahnung, dass es Euer Pferd war, Marguerite, und erst recht nicht, dass Ihr in Schwierigkeiten seid.«
    »Ausgerechnet an dem Tag, an dem sich die Armee zum Abmarsch sammelt!«, überbot ihn das junge Mädchen amüsiert, während sie sich Blanche wohl viel ernsthafter gewünscht hätte und hilflos seufzte. Was sollte sie dagegen tun, dass Marguerites Urteilsvermögen gelegentlich ein wenig getrübt war? Ihren Verdacht über diese doch zumindest sehr unverhoffte Begegnung schluckte sie also einfach herunter.
    »Eine harmlose Unpässlichkeit, nichts von Bedeutung, Monsieur de Nemours, hat mich gestern daran gehindert, zusammen mit meiner Mutter abzureisen. Nun geht es mir wieder besser, und ich bin auf dem Weg zu ihr.«
    Der junge Mann wandte sich von Marguerite ab und warf Blanche einen vielsagenden Blick zu.
    »Bei mir verhält es sich ganz ähnlich, Madame«, sagte er, und seine angenehme Stimme besänftigte eine Weile Blanches Argwohn. »Meine Mutter ist schon alt und sehr leidend. Sie wollte mich unbedingt noch einmal sehen, ehe ich nach Italien aufbreche.«
    ›Oh Gott! Muss ich wirklich lügen, nur weil Marguerite so schöne Augen hat?‹, fragte sich der junge Mann. ›Dabei verabscheue ich eigentlich jede Art von Verstellung. Immerhin ist meine Mutter wirklich alt und krank. Hoffentlich verzeiht mir Gott diese kleine Sünde.‹
    Er wandte sich wieder an Marguerite.
    »Leider musste ich meine Mutter in einem sehr schlechten Zustand zurücklassen«, fuhr er fort und schämte sich beinahe für diese neue

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