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Die Traenen Des Drachen

Titel: Die Traenen Des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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wird. Er nimmt ihn als Lehrling, und sie bleiben viele Jahre zusammen. Manchmal holt er neue Waldgeister. Deshalb sind sie oft zu viert oder fünft, und sie alle sind Lehrlinge, auch wenn sich der Trolljäger oft einen Liebling aussucht, dem er die ältesten Beschwörungen anvertraut. Es sind solche Grüppchen, die sich bei der ersten Schneeflocke versammeln, doch manche kommen auch alleine. Das sind die Allerältesten, die einen ihrer Lehrlinge zum Trolljäger ausgebildet haben und selbst auf kurzen Beinen umherlaufen. Unter diesen wählen die Waldgeister einen Häuptling, der den Namen »Gamle« bekommt. Der »Gamle«, der an diesem Visom zur Lichtung kam, war ein sehr kurz gewachsener Waldgeist, er würde euch Kindern kaum bis zum Knie reichen. Aber er hatte einen gewaltigen Bauch und einen noch gewaltigeren Hunger. Er saß nah am Feuer, im Schoß den Weinschlauch, und murmelte eine Weise, die er in der Nähe von Kels von einem Waldteufel gehört hatte.
    »Zwei Seeleute fingen einen Fisch«, brummte er, obgleich er längst vergessen hatte, wie ein Fisch aussah.
    »Er zappelte hin, er zappelte her…« Er trank einen Schluck aus dem Schlauch. »Und er spritzte… Nein, jetzt habe ich es vergessen…«
    Der Gamle war so alt, dass in seinem Bart Flechten wuchsen, und er erinnerte sich nur selten an mehr als die ersten Worte der Lieder, die er lehrte. Er rieb sich seine dicke Nase und bekam von Bile, einem der jungen Waldgeister, einen gebratenen Pilz. Während er darauf herumkaute, löste er den Riemen aus Wacholderfasern, der sein Gewand über seiner Hose festschnürte. Er schwitzte auf der Stirn und rutschte deshalb ein wenig vom Feuer weg.
    »Uff«, beklagte er sich. »Mein Bauch tut weh, vielleicht habe ich noch immer Hunger?«
    Kaum dass er das gesagt hatte, brachten ihm die Waldgeister mehr zu essen. Sie passten gut auf ihn auf und wollten nicht, dass er Hunger litt. Er bediente sich von den gekochten Wurzeln, den Beeren, einem weiteren Pilz und spülte das Ganze mit reichlich Wein herunter. Dann lehnte er sich zurück, sagte Gute Nacht zum Vollmond, der hinter den Wolken hervorlugte, und schlief ein, den Bauch zum Himmel gestreckt.
    Die anderen Waldgeister legten eine Decke über ihn und schoben den Teller mit den gegrillten Steinpilzen zu ihm hinüber, sodass er ihn erreichen konnte, ohne sich erheben zu müssen, falls er aufwachte. Sie selbst aßen weiter, sangen und erzählten Geschichten. Bul war im ersten Kader der Lehrlinge aufgenommen worden und hatte bereits drei Trolle getötet. Volom-Kar, der Kräutermeister mit dem spitzen Hut und Den Roten Zapfen, hatte – wie jedes Jahr – Wurzeln gefunden, die gegen schmerzende Knie, Hühneraugen und schlechtes Wetter halfen. Griom hatte sieben Tage in einem Baum festgesessen. Er war von merkwürdigen Wesen gejagt worden, die er nie zuvor gesehen hatte, aber man achtete nicht sonderlich darauf, denn es war nichts Außergewöhnliches, im Westwald auf unbekannte Wesen zu stoßen. Aber alle Trolltöter nahmen sich viel Zeit, um von den alten Jägern und Wandersleuten zu erzählen, denen sie in diesem Herbst geholfen hatten, den geheimen Weg zu finden.
    Während sie so dasaßen und redeten, bemerkte niemand, dass der Gamle aufgewacht war. Er betastete seinen steinharten Bauch und sah zu den jüngeren Waldgeistern hinüber, die mit ungetrübter Wonne weitere Leckereien in sich hineinstopften. Es konnte doch nicht sein, dachte er, dass ihn die Jungen in diesem Jahr im Wettessen so deutlich schlugen. Er vermochte sich nicht aufzurichten, roch aber das Essen auf dem Teller neben sich, streckte die Hand aus und begann den fetten Steinpilz in sich hineinzustopfen.
    Es hieß, der Gamle beherrsche so vieles, dass er über einen Monat das Wetter vorhersagen und die Fährten aller möglicher Tiere aufspüren konnte, aber er war starrköpfig, starrköpfig wie der schlimmste Bock. Er wusste nicht, was für ihn selbst das Beste war. Und als er alle Pilze in sich hineingestopft hatte, hob er im Liegen die Hand, schleckte sich das Fett aus seinem Bart und rief: »Ich habe gewonnen, ich bin der größte Esser!«
    Dann stöhnte er und schlief wieder ein.
    Die Waldgeister waren überrascht. Sie versuchten ihn wachzurütteln, doch der fette Moosmann schnarchte derart, dass fast das Feuer ausgegangen wäre. Die Waldgeister begannen zu tuscheln, das tun sie gerne, wenn sie sich betrogen fühlen. Sie alle hatten gehofft, zum größten Esser gekürt zu werden, aber keiner hatte sich

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