Die Traenen Des Drachen
Wände reichlich Platz zum Schlafen. An der hinteren Wand der Hütte befand sich eine gemauerte Feuerstelle, die so hoch war, dass ein erwachsener Mann aufrecht darauf stehen konnte. Vor der Feuerstelle lagen Steine, damit die Funken nicht ins Innere des Raumes fliegen konnten. Linker Hand war ein schmales längliches Bord, auf dem Töpfe, Tassen und Schalen standen. Der Tisch befand sich auf der anderen Seite, mit groben Stühlen und einer fleckigen Leinendecke. Wir saßen auf einem Hirschfell vor dem Feuer, und an den Wänden ringsherum hingen getrocknetes Fleisch, Bogen, Pfeilköcher, Bockshörner, Decken und was die Häuptlingsfamilie sonst noch besaß. Auch Kirgits Mutter war im Haus, eine dunkelhaarige Frau mit ebenso lebhaften Augen wie Kirgit. Sie streichelte ihrer Tochter durchs Haar und beschwerte sich dabei, wie schmutzig sich diese gemacht habe. Dann zog sie die Hüte von ihren Füßen und nahm ein paar Lodenschuhe von einer Eisenstange neben dem Kamin. Vile trat zu ihr vor, verbeugte sich, sah auf ihre Füße und streckte seine Hände aus. Als Kirgit ihm die Hüte zurückgab und sich noch einmal bedankte, setzte er den seinen auf den Kopf und lächelte von Ohr zu Ohr. Es kümmerte ihn ganz offensichtlich nicht, dass der Hut vollkommen durchnässt war. Den anderen gab er Loke, doch der Trolljäger war vernünftig genug, ihn zum Trocknen auf den Boden vor der Feuerstelle zu legen.
»So stark waren die Schneestürme noch nie«, sagte Noj, während er den Topf über das Feuer stellte. »Und ihr sagt, dass das nie mehr aufhört?«
»Wenn wir die Wurzel nicht finden.« Loke zupfte an seinem geflochtenen Bart. »Wenn der Gamle nicht seine Wurzel bekommt, ehe der vierte Vollmond verlischt.«
»Aber das ist bald«, sagte Noj. Er zog einen Stuhl vom Tisch und setzte sich. Ich weiß noch, wie er seine Mütze abnahm und eine tief gefurchte Stirn offenbarte. »Nur noch ein knapper Monat.«
»Ich weiß.« Loke kratzte sich in den Haaren.
Doch ich wusste das nicht. Ich hatte die Monde nicht gezählt, nicht so wie mein Vater es mich gelehrt hatte. In der ersten Zeit hatte ich mich ja vor dem Stadtheer versteckt, und nachdem wir aus Krugant geflohen waren, war so viel geschehen.
»Und noch etwas.« Noj legte seine Mütze auf den Tisch. »Ihr sprecht von einer Wurzel. Wie sollen wir die jetzt finden? Alle Büsche und Bäume sind unter dem Schnee begraben, und der Frost reicht viele Fuß tief in den Boden!«
Daran hatte Loke anscheinend nicht gedacht. Er vergrub seine Hände in seinem Bart und starrte finster in die Flammen.
An diesem Abend haben wir nicht mehr miteinander gesprochen. Kirgit verkroch sich auf ihrem Schlafplatz, und Noj und seine Frau krochen unter die Felle auf der anderen Seite des Raumes. Die Waldgeister rollten sich zu einem einzigen großen Barthaufen vor dem Feuer zusammen. Ich selbst saß auf einem Stuhl am Tisch. Ich dachte nach. Ich hörte, wie die Drachen Wind und Schnee über die Berggipfel brüllten, und spürte die kalte Zugluft, die durch die Spalte zwischen den Fensterläden eindrang. Ein Mond… Die Zeit rann uns durch die Finger.
Fünf Kerben
I hr versteht schon, dass ich es bin, von dem ich die ganze Zeit erzählt habe. Ihr seid klug, klüger als eure Eltern, die mich für eine Art Tier halten, eine Laune der Götter. Sie hören, dass ich mit den Worten der Menschen spreche, glauben aber doch nur ihren Augen. Sie sehen meine Krallen und die zum Schnabel zusammengewachsenen Zahne. Und ihr, meine jungen Freunde… wie seltsam es für euch sein muss, mich jetzt zu sehen, da ihr wisst, dass ich einmal wie ihr war.
Wie es mit Volom-Kar und dem Gamle weiterging?
Das wollte ich euch gerade erzählen. Es fügt sich jetzt gut ein. Wir sind Karain, dem Jungen aus Krugant, und den Waldgeistern von Krett bis hierher in die Felsenburg gefolgt und haben gesehen, wie sie in die Hütten gegangen sind, um Schutz zu suchen.
Der Gamle und Volom-Kar wussten nichts davon. Karains Zwillingsbruder war zu ihnen hinaufgeflogen und hatte erzählt, dass die Waldgeister gerettet und weiter auf dem Weg nach Norden waren. Doch mehr wussten sie nicht.
»Gamle«, sagte Volom-Kar, als er sich den Schnee abbürstete und die Decke vor die Tür zog. Er war auf dem Hügel gewesen und hatte das Wetter begutachtet. Nach vielen Tagen mit besserem Wetter hatte es wieder angefangen zu schneien. Die Hütte lag tief unter dem Schnee verborgen, und nur ein Loch in all dem Weiß verriet, dass jemand dort unten
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