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Die Traenen Des Drachen

Titel: Die Traenen Des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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hochfliegen. Der Haken drehte sich um die eigene Achse, schlug auf und hakte sich an der Kante ein. Das tat der Kretter nicht zum ersten Mal, dachte ich. Es bedurfte einiger Kraft und eines guten Auges, einen Eisenhaken so hoch zu schleudern, doch ich hätte wissen sollen, dass Kretter so etwas konnten. Zu Hause im Hafen hatte ich oft gesehen, wie sie Seile, an deren Enden Eisenkugeln befestigt waren, bis hoch über den Mastbaum geworfen hatten.
    Der Gebeugte band sich das Seil unter den Armen fest und packte es mit beiden Händen.
    »Lass uns unseren Fang hochziehen.« Noj packte den Enterhaken und zog am Seil. Ich half ihm, während Turvi darauf achtete, dass niemand seinen Bogen spannte.
    »Sie sind ganz übel«, erklärte Noj, während wir eine weitere Armlänge des Taus einzogen. »Die können durchaus auf die Idee kommen zu schießen, auch wenn das bedeutet, dass einer der ihren auf sie herabstürzt.«
     
    Bald schon hörten wir den Kretter schnaufen. Wir zogen den Rest des Taus hoch, und er kletterte über die Kante. Schnee klebte in seinen Haaren, und er klopfte seinen Umhang aus, während er sich aufrichtete. Dann sah er uns beinahe neugierig an. Er erinnerte mich an den Muru in Krugant. Aber er war kleiner und sah mit seinen triefenden Augen und den heruntergezogenen Mundwinkeln krank aus. Seine Nase war lang und krumm wie die Schnauze einer Ratte.
    Er hinkte an uns vorbei, lehnte sich an die Wand und schielte auf die Stadt hinunter.
    »So…«, schmatzte er, »hier lagert ihr also euer Gold. Wo habt ihr es versteckt?«
    Noj lachte höhnisch.
    »Wir haben kein Gold. Wir sind arme Leute. Es gibt hier für euch nichts zu holen.«
    »Sag das nicht, Noj.« Er schleppte sich wie eine verletzte Hafenratte auf uns zu. Unmittelbar vor mir blieb er stehen und starrte mich aus seinen nassen Augen an, während er zu Noj sprach.
    »Ich habe da unten viele Frauen gesehen. Viele meiner Krieger dort unten brauchen eine Frau.«
    Noj streckte ihm die geballte Faust entgegen.
    »Das Einzige, was euch unsere Frauen geben werden, ist ihre Abscheu. Sie werden euch eure Männlichkeit abschneiden und sie euren Vokker-Freunden zum Fraß vorwerfen!«
    Er grinste. Seine braunen Zähne stanken nach Wein und Fäulnis.
    »Aber willst du nicht hören, was wir anzubieten haben? Du bist doch oft bei uns zum Handeln, und dann präsentierst du dich immer als guter Krämer.«
    Turvi flüsterte Noj etwas zu, doch dieser winkte ab.
    »Vor mir«, sagte der Rattenmensch, »steht ein Geschöpf, das Unglück über Krugant und Krett gebracht hat. Ein Teufel. Der ganze Handel in Krugant wurde durch dieses… Wesen zunichte gemacht.«
    Er ließ seinen Blick an mir herabgleiten.
    »Ich stelle fest, dass er mittlerweile noch weniger wie ein Mensch aussieht. Die Verkleidung löst sich anscheinend auf. Er ist ein Teufel, Noj, und ihr solltet zusehen, dass ihr ihn so schnell wie möglich loswerdet. Wir haben versucht, ihn in Krett zu verbrennen, doch er brachte die Vögel dazu, uns anzugreifen. Das Feuer des Scheiterhaufens schlug auf einen Verkaufsstand über, der zusammenbrach und ein Haus in Flammen aufgehen ließ…«
    Er wandte seinen Blick von mir ab und grinste Noj an.
    »Und deshalb sind wir jetzt hier. Verstehst du, ein Mädchen, das wir gefangen haben, erzählte, sie sei aus der Felsenburg. Sie flüchtete gemeinsam mit dem Teufel und seinem Zwergengefolge, und so gingen wir davon aus, dass sie versuchen würden, hierher zu gelangen.«
    Ich fand es erstaunlich, dass Noj so lange ruhig blieb.
    »Was wollt ihr uns anbieten?«, fragte er lediglich und rieb die Fäuste aneinander, als wolle er etwas Schweres anheben.
    »Wir wollen den Teufel!« Der Rattenmensch zwinkerte ihm zu, und seine Augen liefen über. Es sah aus, als weinte er, doch ich wusste, dass derlei Gefühle zu tief für einen Kretter waren.
    Noj öffnete den Mund und hob die Schultern, als wollte er den Kretter zu Boden schlagen, doch dann riss er sich plötzlich zusammen. Er atmete aus und trat an die Treppe.
    »Ich höre immer auf mein Volk«, sagte er. »Lasst uns also hören, was die Leute meinen.«
    Er rief über das Tal hinaus, und das Echo seiner Worte hallte zurück. »Er verspricht Frieden, wenn wir ihm den Vogelmann geben! Gebt ihm eure Antwort!«
    Es schallte zurück. Flüche und alle möglichen Schimpfworte, die das Felsenvolk für die verhassten Kretter hatte.
    »Gut.« Noj neigte den Kopf zur Seite und ging zur Kante auf der anderen Seite der Kalane zurück. »Wir

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