Die Traenen Des Drachen
zu.
»Die Nase!« Loke kratzte sich unter seinem Hut und lachte. »Wir haben in einem Nasenloch übernachtet!«
Ich sah es selbst. Der riesige Felsklotz sah aus wie eine Nase.
»Folgt mir.« Loke schoss den Hang hinunter. »Direkt nach Westen!«
Die Waldgeister schwangen sich nach unten, als hätten sie nie etwas anderes getan. Jedes Mal, wenn ich stürzte und aufschrie, mussten sie auf mich warten, und das war nicht selten. Manchmal waren die Hänge so steil, dass ich die Skier abschnallte und nach unten watete. Loke führte uns schräg am Hang nach unten, und nur dreimal mussten wir kleinere Anstiege bewältigen.
Wenn wir mit derartiger Geschwindigkeit weitermachten, dachte ich, würden wir bald unten sein. Von den langen Hängen unterhalb des Berges konnte ich manchmal die Ebene hinter einem Rand von grauen Klippen erkennen. Wenn wir nur einen Weg dort hindurch fanden, wären wir unten, noch ehe es dunkel wurde. Doch als die Sonne hoch am Himmel stand und ich sicher war, dass wir das Gebirge bald hinter uns haben würden, schwangen die Waldgeister plötzlich abrupt nach links herum und warfen sich in den Schnee. Und da entdeckte auch ich den Abgrund, der sich vor mir auftat. Ich hockte mich hin und ließ mich zur Seite fallen, sodass der Schnee aufwirbelte.
An dieser Stelle machten wir eine Pause. Wir aßen und tranken und schauten in den Abgrund hinunter. Loke erklärte, dass wir jetzt den Absatz erreicht hätten, dem wir eineinhalb Tage folgen sollten. Noj hatte uns Zeiten genannt, die stimmten, wenn man Schneeschuhe benutzte. Da wir auf Skiern standen, waren wir schneller vorwärts gekommen. Jetzt hieß es einfach, dem Absatz zu folgen.
Von allen Orten, über die ich je erzählt habe, war dieser der Fantastischste. Linker Hand ragten die Felswände steil empor, und unter uns fielen senkrechte Wände in ein Wirrwar von Klippen ab, die wie scharfe Klingen emporragten. Ja, zwischen uns und der Ebene lag ein Gürtel aus Geröll und Blöcken, die derart zerrissen dalagen, als hätte ein Heer von Riesen dort seine Schwerter abgelegt.
Wir bewegten uns mühsam über den Absatz vorwärts, der so schmal war, dass wir nirgendwo auch nur zu zweit nebeneinander gehen konnten. Beständig spürte ich ein ungeheures Verlangen, mich in den Abgrund zu stürzen und durch die Luft auf die Ebene zuzugleiten. Aber ich tat es nicht. Vielleicht, weil ich dort keinen Vogel gesehen habe. Nur ein einziges Mal habe ich ein geflügeltes Wesen am Himmel entdeckt. Ich habe ihm zugerufen, aber es antwortete nicht.
Als die Dunkelheit kam, kauerten wir uns, den Rücken an die Felswand gelehnt, unter unseren Decken zusammen. Wir stapelten drei der Holzscheite, die wir mit uns trugen, übereinander und versuchten, sie mit etwas Zunder zu entzünden. Niemals zuvor hatte ich es erlebt, dass die Waldgeister es aufgaben, ein Feuer zu machen, doch an diesem Ort taten sie es.
»Wir sind zu weit von zu Hause entfernt«, sagte Loke und sprach bis zum nächsten Morgen kein Wort mehr.
Ich machte in dieser Nacht kein Auge zu, denn kaum dass wir uns hingelegt hatten, begann es zu stürmen. Wir banden uns die Taue um die Hüften und befestigten sie an einem Felsvorsprung. Ich hockte da, während mir der Schnee in meine halb offenen Augen biss, und fror, wie ich niemals zuvor und auch seither nie mehr gefroren habe.
Was sagt ihr, Freunde, das Gleiche habe ich auch über die Seereise gesagt, die uns von Krugant weggeführt hat? Habe ich mich auch da über die Kälte beklagt?
Und wenn schon. Lasst mich jammern, wie ich will. Ich bin alt. Leg ein paar Wacholderzweige aufs Feuer, Tenn. Sie riechen so gut, wenn sie brennen.
Soll ich euch von dem Höhlengang erzählen, Nin? Dem, von dem Loke gesprochen hat, als er erklärte, wie unser Weg verlaufen würde? Ja, wir können die Nacht und die Wanderung am nächsten Tag auslassen, als wir die Skier abschnallen und uns durch das Unwetter vorwärts kämpfen mussten. Denn zum Schluss erreichten wir die Kluft, an der der Absatz endete. Hinter einer Schneewehe fanden wir eine Felsspalte. Wir nahmen unsere Rucksäcke ab und pressten sie durch die vereiste Öffnung, bevor wir uns selbst ins Dunkel hineinschoben.
Noj und seine Männer hatten Fackeln in unsere Decken gewickelt. Wir schlugen die Flintsteine aneinander und pressten Zunder gegen das Harz und die aufgewickelte Birkenrinde. Ich musste vorangehen, denn da ich der Größte war, leuchtete die Fackel am besten, wenn ich sie trug. Und so
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