Die Traenen Des Drachen
war schwer im Gedächtnis zu behalten.
»Zwei Tage an den Markierungsstöcken entlang, dann rechts an einem nasenförmigen Fels vorbei und dann einen Tag genau nach Westen. Dann sollten wir auf einen Absatz kommen, der an einer Felswand entlangführt, und diesem eineinhalb Tage lang folgen. Wenn wir zur Felskluft kommen, müssen wir in einem Höhlengang eine ganze Weile nach unten kriechen, und wenn wir wieder herauskommen, gilt es nur noch, den letzten Abhang hinunterzuklettern.«
Bul kratzte seinen Bartscheitel und zog den Knoten im Nacken zurecht.
»Und wenn wir unten sind, gehen wir zurück zur Felsenburg und halten nach Trollen Ausschau.«
»Richtig«, sagte Bile und drehte den Schaft seines Speers in der Hand. »Und dann folgen wir ihnen, wenn sie sich aufmachen, Wurzeln für die Pferde auszugraben, und wenn sie eine Rote Runde Wurzel finden, nehmen wir sie ihnen ab!«
»Gute Schüler!«, sagte Loke lächelnd. »Es tut gut, zu hören, dass ihr mir zugehört habt. Aber los jetzt, lasst uns weitergehen!«
Er schob sich mit seinem Speer zwischen den Beinen weiter, und Bul, Bile und Vile folgten dicht hinter ihm.
Die sind nicht richtig klar im Kopf, dachte ich und zog die Riemen an meinen Stiefelspitzen fest. Wir sollten froh sein, wenn es uns überhaupt gelang, vom Gebirge herunterzukommen. Und selbst wenn es uns gelingen sollte, einem Vokker, der Pferdefutter suchte, die Wurzel abzunehmen, wie sollten wir dann an den Krettern auf der Felsenbrücke vorbeikommen?
Ich weihte die Waldgeister nicht in meine Gedanken ein. Loke wirkte so sicher, während er uns vorbei an Klippen und Bergrücken und durch Klüfte führte, in denen der Schnee sich mannshoch auftürmte. Ohne die Latten, oder Skier, wären wir niemals so schnell vorwärts gekommen.
Als es dunkel wurde, fanden wir Schutz in einer Höhle. Vile hatte sie gefunden, das heißt, eigentlich hatte die Höhle ihn gefunden, denn er hatte auf der Spitze einer kleinen Anhöhe die Kontrolle über seine Latten verloren und war auf der falschen Seite hinabgeschossen. Seine Spuren führten unter einen Felsbrocken, der auf die Seite gekippt war. Wir folgten ihnen und fanden Vile in einer verlassenen Bärenhöhle. Es stank schrecklich dort drinnen, aber es war trocken. Wir sparten Holz, zerbrachen das Eis in unseren Schläuchen und tranken so viel, wie wir konnten. Loke sagte, es sei wichtig, zu trinken, um die Wärme im Körper zu halten.
In dieser Nacht flog ich wieder. Aber es war wolkenlos. Unter mir lagen nur schneeweiße Flächen. Es überraschte mich nicht. Die Welt war tot, warum sollte ich also etwas anderes sehen als Winter?
Da roch ich Rauch. Ich sah die Felswand und die Rauchsäule, die aus dem dahinter liegenden Tal aufstieg. Feuer, dachte ich, Leben, und ließ mich von meinen Flügeln dorthin tragen. Ich glitt über die letzten Klippen und sah ein Städtchen und Menschen zwischen den Hütten. Es gab dort auch Frauen und Kinder, und in einem Pferch standen Pferde mit Fohlen. Ich wollte zu ihnen hinunter und ein Mensch sein, doch ich wusste, dass ich das nicht konnte. Also setzte ich mich auf die Spitze des Felsens und faltete die Flügel zusammen.
Ich blieb dort sitzen, bis es dunkel wurde. Ich wollte diesen letzten Menschen so gerne nahe sein, ehe ich wieder über das Schneeland flatterte. Ich wollte so gerne etwas von der Wärme verspüren, die sie umgab.
Am nächsten Morgen saß ich noch immer da. Ich sah Männer und Frauen aus den Hütten kommen, lächeln und einander grüßen. Und ich hörte, wie ihr Lachen vom Brüllen des Berges erstickt wurde, als sich die eine Seite des Berges löste und auf das Tal hinabzugleiten begann. Einige der Menschen rannten auf die Felsen zu, doch die Lawine holte sie ein. Sie zerschmetterte die Häuser, erstickte die Pferde und zuletzt auch noch die wenigen Menschen, denen es gelungen war, sich an den Steintreppen unter mir festzuklammern.
Ich sah hinab. Der Schnee hatte das Tal aufgefüllt wie Wasser einen Bottich. Nur ein paar zerborstene Dachbalken verrieten, das es hier einmal eine Stadt gegeben hatte.
Mein eigener Schrei zerriss klagend den Himmel, als ich über die Ebenen segelte. Und jetzt hatte es wieder zu schneien begonnen.
Wir sahen es erst am nächsten Morgen, als wir den Hügel emporstiegen und zu der Höhle unter dem Felsen zurückschauten, in der wir geschlafen hatten. Die Skispuren führten in eine von zwei Öffnungen der Bärenhöhle. Der Fels war unten breit und lief oben schmal
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