Die Traenen Des Drachen
einen dieser Vokker-Trolle zu finden. Wenn uns das nicht gelingt, müssen wir uns ins Lager schleichen und den Ort finden, wo sie das Futter für die Pferde aufbewahren. Dann stehlen wir ihnen eine Rote Runde Wurzel, und dann…«
Der Tatendrang in seinem Gesicht wurde plötzlich von tiefen Falten und Sorgen ersetzt.
»Wir haben noch drei Tage«, sagte Bile und raschelte mit seiner Zapfenkette. »Ich habe seit letztem Vollmond, noch ehe wir die Felsenburg erreicht hatten, die Zapfen gezählt.«
»Drei Tage?« Bul wühlte in seinem Bart und bewegte seinen Kopf langsam vor und zurück. »Nur drei Tage? Ich dachte, wir könnten diese Felsenhässlinge bitten, uns mit ihren Schlitten zum Meer zu fahren und dann vielleicht mit einem Boottier bis Krugant, oder vielleicht bis zum Nordende des Westwalds, wenn sie ihre Schlitten mit aufs Boot nehmen würden… Aber drei Tage?«
Er hob seinen Bart hoch, stützte seine Ellenbogen auf die Knie und vergrub sein Gesicht in den Haaren.
»Wir müssen es trotzdem versuchen.« Loke legte das letzte Holzstückchen aufs Feuer, das sich mittlerweile einen Fuß tief ins Eis geschmolzen hatte.
Sobald es hell wurde, gingen wir weiter auf das Kretterlager zu. Wir wichen den Anhöhen aus, auf denen wir leicht zu sehen gewesen wären. Loke führte uns durch Senken und hinter Erhebungen entlang, und manchmal mussten wir uns auf die Skier legen und hinter flachen Schneewehen entlangkriechen. Doch schließlich hob der Trolljäger die Hand, als wir einen leicht ansteigenden Hang emporstiegen. Ich kauerte mich gemeinsam mit den Waldgeistern hin. Von der anderen Seite des Hügels waren das Knistern von Feuer und die Stimmen von Männern zu hören.
Wir legten unser Gepäck in den Schnee, lösten die Skier von unseren Stiefelspitzen und begannen, die Skier in den Händen, nach oben zu kriechen. Es fühlte sich fast an wie Schwimmen, und nach all den Tagen auf Skiern hatte ich beinahe vergessen, wie tief der Schnee war.
Auf der Spitze des Hügels lag ein Felsbrocken, hinter den wir uns duckten. Der Abhang auf der anderen Seite war steiler, und an seinem Fuß lagen die äußersten Zelte des Kretterlagers. Nur die Zeltdächer ragten aus dem Schnee hervor – braune Segeltuchhüte umringt von gelben Löchern in all dem Weiß. Sie lagen wie kleine Steinchen auf dem Boden verteilt und waren durch festgetretene Pfade miteinander verbunden. Kretter in Umhängen, Pelzen und mit Kopftüchern machten sich zwischen den Zelten zu schaffen. In der Mitte des Lagers erhob sich die Felsenbrücke, und dort war am meisten Leben. Die Sonne glitzerte auf den Rüstungen der Lanzenträger, die dort mit Schilden auf dem Rücken und Bogen in den Händen postiert waren. Fünf Vokker waren mit gekrümmten Rücken und Keulen in den Händen auf dem Weg nach oben. Am Ende der Felsenbrücke ragten noch die rußigen Reste des Tores aus dem Schnee. Auch die Belagerungshütten klammerten sich noch immer am Fels fest. Die Schilddächer, die die Vokker beim Sturz aus den Kalanen zerschmettert hatten, waren wieder aufgerichtet worden.
»Ein Pferd!« Bile erhob sich und wäre fast aus unserem Versteck aufgesprungen, doch Loke zog ihn wieder nach unten.
»Dort unten«, sagte der Schüler. »Hinter dem roten Zelt.«
Ich sah es selbst. Ein gelbes Pferd stand an einen Pflock angebunden hinter einem Zelt an der Felsenbrücke. Aber war das nicht ein Vokker, der jetzt zu dem Tier hinüberging und das Tau löste?
»Der Pferdepferch muss unterhalb der Felsenbrücke sein.« Bul blinzelte in den Schnee hinaus. »Das ist der einzige Ort, den wir von hier aus nicht einsehen können.«
»Das gefällt mir gar nicht.« Loke lehnte sich vor, um besser sehen zu können.
Ich begriff, was er meinte. Warum war dieses Pferd nicht bei den anderen? Und warum wehrte es sich so dagegen, von dem Vokker weggeführt zu werden?
»Viani hat von einem Tauschhandel gesprochen.« Loke kämmte sich den Bart mit seinen Fingern nach unten. »Die Vokker sollen den Krettern helfen und als Gegenleistung jeden Tag zwei Pferde und die Körper der Menschen in der Felsenburg erhalten.«
Ich dachte daran, wie die Vokkerfrauen in der Höhle die Pferdekörper zerrissen hatten. Der Vokker kam direkt auf uns zu, während das Pferd wild wiehernd den Kopf nach hinten warf, um die Schlinge loszuwerden, die um seinen Hals gelegt worden war.
»Gobba!«, rief er, und ein anderer Vokker trat aus dem Zelt unmittelbar unterhalb des Hügels. Sie trafen einander vor dem
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