Die Traenen Des Drachen
die Augen zu, und erneut rann eine Träne über seine schuppige Wange hinunter an die tiefste Stelle seines Kinns, wo sie sich zu einem Tropfen formte. Dieser Tropfen fing das Licht des Sonnenuntergangs ein und fiel auf den Boden, wo ein Fluss entsprang, Freunde. Ein Fluss, der mit jeder Träne größer und wilder wurde. Ich flog von dem Felsen auf und folgte dem Fluss, bis er ins Meer mündete. Und ich sah, wie der Meeresspiegel anstieg.
Das war mein Traum. Ich habe ihn seither nie wieder geträumt, aber ich weiß jetzt, warum Drachen weinen. Ich habe das mit den Jahren begriffen. Sie weinen für uns.
Warum erzähle ich das jetzt? Ihr wollt doch wissen, ob wir die Wurzel gefunden haben und wie es mit uns weiterging, nachdem wir vom Gebirge herabgestiegen waren. Vielleicht erzähle ich es euch, weil ich euch bald verlassen werde. Ich will all die Sachen loswerden, an die ich denke. Und ich glaube, dass euch der Traum von den Drachentränen helfen wird, alles zu verstehen.
Aber lasst uns noch einmal hinauf nach Erste Schneeflocke reisen. Dort reichte der Schnee jetzt bis zu den Ästen der Bäume empor, und der Pfad hinunter zur Hütte sah aus wie ein Kaninchengang. Die Fichten, die um die Lichtung herumstanden, hatten weiße Flecken auf den Rinden. Ihre Zweige beugten sich unter der Last des Schnees, und das Himmelszelt hatte sich dem Winter vollends geöffnet.
Da rollte ein Schneeball aus dem Kaninchengang heraus. Ein Handschuh bürstete den Schnee weg und vergrößerte die Öffnung.
»Komm jetzt, Gamle!«
Die angestrengte Stimme sagte ein paar unverständliche Worte, und dann tauchte der Kopf von Volom-Kar auf. Er rümpfte die Nase, während er sich mit den Schultern durch das Loch presste. Dann hob er beide Arme über den Kopf und schaute auf seinen Bart hinunter.
»Hilf ein bisschen mit«, sagte er. »Wir müssen uns beeilen!«
Er krabbelte in den Schnee hinaus, griff nach etwas unten im Loch und zog es heraus. Gamle kam wie eine Ratte aus einem Kornsack zum Vorschein. Er spuckte Schnee und wischte sich das Gesicht ab.
»Bist du sicher, dass das notwendig ist, Volom?«
Gamle jammerte, während Volom-Kar ihn hinter sich herzerrte.
»Schau, wie hoch der Schnee liegt.« Volom breitete die Arme aus, schüttelte den Kopf und kroch wieder ins Loch zurück. Gamle legte sich auf den Rücken und faltete die Hände über seinem Bauch. Er blinzelte durch das Schneegestöber, doch die Sonne war nirgends zu sehen.
Eine zusammengerollte Decke ragte aus der Öffnung. Dann folgte der spitze Hut von Volom, Holzscheite, weitere Decken, Leinensäckchen und Tassen. Zum Schluss kam Volom-Kar, den Primstab in der Hand. Er trampelte den Schnee fest und zog Gamle an den Armen hoch.
»Jetzt pass auf«, sagte er und ballte einen Schneeball zusammen.
»Du wagst es nicht, mich damit zu bewerfen!« Gamle hob den Zeigefinger. »Ich bin der Häuptling aller Waldgeister, und ich sage dir…«
Volom lachte und drehte ihm den Rücken zu.
»Die Hütte liegt dort unmittelbar neben dem Baum unter dem Schnee, nicht wahr?« Er zielte auf den Baumstamm, berechnete die Entfernung und warf.
Der Schneeball verschwand eine Elle vor dem Baum im Neuschnee, doch unten aus dem Gang war das Knirschen von Zweigen und Wickelungen zu hören. Etwas zerbrach, und plötzlich stürzte der Schnee über der Hütte zusammen.
»Die Dachbalken waren dabei zu brechen.« Volom zuckte mit den Schultern und begann alles zusammenzusuchen, was er aus der Hütte befördert hatte. »Noch eine Nacht, und das Dach wäre über unseren Köpfen zusammengestürzt.«
Volom-Kar watete, Gamle im Schlepptau, in den Wald. Dort hatten die Zweige den Schnee ein wenig abgehalten. Weit hinten an einem Stamm fanden sie Schutz unter einer Wand von Fichtenzweigen, die der Schnee zu Boden gedrückt hatte. Volom-Kar kniete vor dem Baum nieder, während sich Gamle, eine Decke unter dem Gesäß, unter die Zweige schob.
»Oh, Großer Bruder!« Volom legte seine Hand auf die Rinde des Baumes. »Leih uns deine Äste, denn wir frieren. Und erlaube mir, dir ein paar Zweige abzuschneiden, damit wir uns an deinem Stamm wärmen können!«
»Sag, dass es um mich geht, den Häuptling!« Gamle breitete die andere Decke über seinen Bauch.
»Sei still.« Volom legte seine Stirn an den Stamm. »Ich muss der Antwort lauschen.«
Er schloss die Augen, und der Baum begann zu zittern.
»Der Wind frischt wieder auf.« Gamle zog die Decke bis unter seinen Bart hoch.
Volom fauchte ihn an, zu
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