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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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königliche Siegelbewahrer Sire Guillaume ist hier!“
    „Ich komme!“ Floyran fluchte, stand auf, zog eine Tunika über und ergriff den Waffengurt.
    Nogaret erwartete ihn im holzgetäfelten Saal des Hauses.
    „Ich freue mich, Euch auf meinem eigenen Besitz begrüßen zu dürfen!“
    „Nun, Ihr habt Euch erheblich verbessert, wenn man dieses Haus mit den Kerkermauern vergleicht, in denen Ihr mich zum ersten Mal empfingt!“
    “Wenn Ihr damit andeuten wollt, ich sollte zufrieden sein - ich bin es nicht. Ihr wisst, was ich will!“
    „Eines von den Templergütern.“
    Floyran nickte lächelnd und hob eine Weinkaraffe. „Unter anderem…“
    Als Nogaret ablehnte, füllte er den eigenen Becher.
    „Ihr habt doch gehört, dass der Papst die Güter des Templerordens beschlagnahmt hat, bis ein endgültiges Urteil gefällt sein wird.“
    „Und was unternimmt Seine Allerchristlichste Majestät? Er ist auf der Jagd!“
    „Der König schickt eine Gesandtschaft zu Clemens um zu verhandeln. Mehr darf ich Euch darüber nicht sagen.”
    „Ach! Verhandlungen!” Esquieu de Floyran leerte seinen Becher auf einen Zug. „Was ist, wenn der Papst den Orden nicht verurteilt? Was wollt Ihr dann tun?“
    „Belastet Euch nicht mit diesen Sorgen!“
    „Gut, gut!“ rief Esquieu ungehalten. ”Aber vergesst nicht, ab und zu ein Wörtchen für mich einzulegen. Ich bin kein sehr geduldiger Mann! Sonst werde ich ausplaudern, was ICH über EUCH weiß!”
    Guillaume de Nogaret beugte sich vor. “Ihr solltet mir dankbar sein.” sagte er in eindringlichem Ton. “Ich bin mitten in der Nacht aufgebrochen, um Euch zu warnen!”
    „Zu warnen? Wovor?”
    „In der vergangenen Nacht sind die Gefangenen der Komturei von Etampes entflohen...“
    „Was?! Bei dieser Bewachung? Dann muss ihnen einer von den Söldnern geholfen haben!“
    „Nein. Es waren Templer. Niemand weiß, wie sie in die Burg gekommen sind.“
    „Aber das ist doch ganz unmöglich!“
    „Man hat sie ganz deutlich gesehen, Sire Esquieu. Es waren Templer. Einer von ihnen in voller Rüstung.”
    Floyran fuhr sich beunruhigt durch das Haar. Er mochte es ganz und gar nicht, von einer Horde unsichtbarer Feinde umgeben zu sein. „Sie werden nicht weit kommen, denke ich doch!“
    „Bisher hat man sie noch nicht! Wer auch immer ihr Anführer ist, er ist kein Dummkopf! Sie haben Pferde, vielleicht auch Waffen, und nichts zu verlieren. Versteht Ihr? So gut wie überall weiß man, dass Ihr den Orden denunziert habt. Ich rate Euch, legt Euch eine kleine Leibgarde zu!“
    Der königliche Siegelbewahrer wandte sich zur Tür.
    „Ich muss gehen. Lebt wohl, Sire Esquieu, und beherzigt meinen Rat!“ Er hoffte inständig, dass der andere dies tat – weniger, weil ihm an dessen Leben etwas gelegen war, im Gegenteil, sondern weil er nicht riskieren wollte, dass die Templer ihren Denunzianten in die Finger bekamen und er dann vielleicht ein Wörtchen zu viel erzählte… Wovon auch immer. Floyran hatte sich schließlich als sehr erfinderisch im Lügen und Verdrehen von Wahrheiten erwiesen...
    König Philipp richtete sich im Sattel auf und blickte dem über die Lichtung springenden Hirsch nach. Die Hundemeute neben ihm zerrte an den Leinen. Aus dem Gehölz klang das Signal der Jagdgehilfen, die das Wild in die gewünschte Richtung trieben. Philipp gab dem Hundeführer ein Zeichen. Laut bellend stürzte die Meute los. Der König ergriff den Speer, den ihm sein Knappe entgegenhielt und schlug seinem Pferd die Sporen in die Seite. Im Galopp verschwand er hinter den Hunden im Dickicht. Philipp liebte die Jagd, die kalte Luft auf der Haut, das Gebell der Hunde, den Herbstwald in seinen bunten Farben.
    Dies lenkte ihn von dem beunruhigenden Fakt ab, dass Meister Jacques de Molay und fast alle anderen Befragten ihre Geständnisse widerrufen hatten, sobald die Entscheidung des Papstes zu ihnen gedrungen war. Dass die Gefangenen aus Etampes befreit worden waren...
    Finanzminister Enguerrand de Marigny, der wie die meisten Mitglieder des Kronrates den König begleitete, zeigte nur mäßiges Interesse am Geschehen. Ihn beschäftigten eigene Probleme. Seit der Suspendierung der Inquisition war die Stellung des Erzbischofs von Sens wieder unangefochten. Es war sogar wahrscheinlich, dass der Papst ihn zum Leiter seiner Untersuchungskommission machte. Zu allem Überfluss hatte auch noch ein Bürger der Stadt Cambrai beim Heiligen Stuhl Klage gegen ihren Bischof eingereicht. Alles in allem sah es recht

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