Die Tränen des Herren (German Edition)
Komtur Robert. „Ich bitte, vor dieser Kommission aussagen zu dürfen.“
„Ihr wollt ein Geständnis ablegen?“ fragte Imbert, obwohl er die Antwort bereits kannte.
„Ich entbiete mich zur Verteidigung des Ordens gemäß den kanonischen Gesetzen!“
„Einem verstockten Ketzer, wie Ihr es seid, kann die Anhörung vor dem Heiligen Vater nicht gestattet werden!“ entgegnete der Inquisitor schneidend und wandte sich zum Gehen.
„Bei der Barmherzigkeit Gottes, bringt mich vor den Papst!“ schrie Robert ihm nach, aber nur Schweigen antwortete ihm. Der Gefangene hob die Augen zu dem Bild des Gekreuzigten, das er in Stunden der Angst und der Hoffnungslosigkeit in den Stein geritzt hatte.
„Du, o Herr, kennst die Wahrheit!“ flüsterte er. „Offenbare sie! Verteidige unseren Orden, Deinen Orden, Herr!“
Es war zu ungewohnter Stunde, dass der Schüssel im Schloss der Kerkertür knirschte. Verwundert erkannte Komtur Robert die vom Fackelschein umrissene Gestalt Tancreds. Der junge Mönch ergriff seine Hände und flüsterte hastig: „Man schickt mich zurück in mein Kloster. Morgen früh muss ich fort.“
„Warum?“ fragte Robert in der schrecklichen Gewissheit, den letzten Freund zu verlieren.
„Weil ich Euch den Ordensmantel gebracht habe.“
Robert wollte Tancred umarmen, aber der junge Mönch stöhnte auf, kaum dass er ihn berührt hatte.
„Imbert hat mich auspeitschen lassen.“
„Was ist das für ein Mensch? Möge Gott ihn strafen!“
Der junge Dominikaner lächelte durch aufsteigende Tränen.
„Jetzt sind wir Brüder, Sire Robert. Brüder im Leid. Ich werde für Euch und den Tempel beten! Das kann Imbert nicht verhindern, und wenn er mich bis ans Ende der Welt schickt! Und die Macht des Gebetes ist groß!“
Stumm standen sich die beiden Männer noch einen Augenblick gegenüber, ehe Tancred den Kerker des Louvre für immer verließ.
----
„Der Mund des Gerechten sinnt über die Weisheit nach, und seine Zunge spricht gemäß dem Recht, das Gesetz Gottes ist in seinem Herzen“, schallte der Introitus durch das Gewölbe der Kathedrale von Poitiers.
Eine Wolke von Weihrauch hüllte Papst Clemens und die ihm assistierenden Priester ein. Das farbenprächtige Mosaik der Chorfenster ließ ein überirdisches Licht auf die goldenen Altargeräte und die Gewänder der Priester fallen.
„Kyrie eleison, Kyrie eleison, Kyrie eleison...“ Der Papst stieg hinauf zum Altar.
König Philipp, der der Messe von einer Seitenloge aus beiwohnte, streifte mit eiskaltem Blick die Gestalt des Vikars Christi. Clemens wirkte müde. So müde…
Jocelin und Arnaud hatten sich unter die festliche Menge der Gläubigen gemischt. Beim vorsichtigen Umsehen hatte Jocelin die nach Poitiers entsandten Brüder entdeckt.
Die Berichte, die sie später unter einem Brückenbogen über die Reise gaben, klangen wenig erfreulich.
„72 Brüder hat der König bis jetzt nach Poitiers bringen lassen. Viele Komture sind darunter. Die meisten aus den südlichen Provinzen, in denen die Inquisition die meiste Übung hat.”
„Und sie sind übel zugerichtet,” fiel ein anderer Bruder ein, der der Überführung eines Gefangenentransportes beigewohnt hatte. „Sie sind so sehr gefoltert worden, dass sie wohl kaum ein Wort der Verteidigung wagen werden! Zumal sie immer noch von den Leuten des Königs bewacht werden!”
„Sogar aus dem Orden Ausgestoßene haben die Leute des Königs ausgewählt! Wie kann man sie als Zeugen in dieser Angelegenheit anhören?!“
„Wo hat man sie untergebracht?” wollte Jocelin wissen.
„In den Verliesen des Bischofspalais die meisten, die anderen im Amtshaus des Herzogs.”
„Streng bewacht, nehme ich an.”
„Allerdings. Niemand hat Zugang zu ihnen außer den Beichtvätern, die das Dominikanerkloster schickt.”
Jocelin nickte nachdenklich. Die Beichtväter hatten also Zugang. Damit ließ sich vielleicht etwas machen.
„Wisst Ihr etwas von Meister Jacques?” fragte er weiter.
„Nur Gerüchte. Man soll sie in die königliche Burg von Chinon gebracht haben. Es heißt, sie seien zu krank für die Weiterreise.”
„Zu sehr gefoltert würde es wohl eher treffen.”
„Euren Brief haben wir vor gut einer Woche in der päpstlichen Kanzlei abgegeben, Sire Arnaud. Aber wenn er Clemens je erreicht hat, so verweigert er eine Antwort. Täglich war einer von uns im Kloster, wo er residiert. Clemens empfängt niemanden.”
„Ich versuche es selbst noch einmal. – Außerdem wäre es
Weitere Kostenlose Bücher