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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Lidomir
hatte. Sie wäre freiwillig mit ihm in eine Hütte im Wald gezogen, nur um in
seiner Nähe sein zu dürfen. Doch nun meldete sich eine vertraute Stimme in
ihrem Kopf und flüsterte, dass sie wieder einmal benachteiligt und übergangen
wurde. Sie versuchte, diese Stimme zum Schweigen zu bringen, und wälzte sich
lange schlaflos auf ihrer Bettstatt.
     
    Am nächsten Tag heftete sich
Scharka gleich nach dem Morgenmahl an ihre Fersen. „Es muss öde für dich sein,
jetzt, da Krok Lidomir ständig unter Aufsicht hat. Willst du nicht wieder in
die Nähstube kommen?“
    Ihr Lächeln war
von derselben unermüdlichen Freundlichkeit, die Radegund bei Fürstin Libussa
auf die Nerven fiel. Sie unterdrückte mühsam eine scharfe Antwort, denn das
Gesetz der Höflichkeit gebot, dass sie Scharkas Angebot annahm. Sie hätte sich
höchstens durch das Vortäuschen von Unwohlsein in ihre Kammer zurückziehen
können, aber das hätte bedeutet, auch den Rest des Tages dort zu verbringen.
    Es war ungefähr
dieselbe Gruppe junger Mädchen versammelt. Die Hasengesichtige, Svatava
genannt, ließ aufmerksam ihre Spindel wirbeln. Hodka mit der gelehrten Miene
machte sich am Webstuhl zu schaffen, doch bewegten sich ihre Finger dabei
ungelenk. Radegund fiel wieder Anahilds mangelndes Geschick im Umgang mit der
Nadel ein. Wahrscheinlich bestand Hodkas einziges Talent darin, klug reden zu
können, eine Eigenschaft, die gewöhnlich nur bei Männern geschätzt wurde. Aber
vielleicht war es hier anders. Hier schien alles anders.
    Sie spann eine
Weile, setzte sich dann an den Webstuhl und nahm schließlich ein Stück Stoff
zur Hand, um ihn mit eingefärbtem Garn zu besticken. Begeistert leuchtende
Augenpaare folgten ihren Fingern, die jenes Wellenmuster entstehen ließen, das
bereits Konstantin, dem Händler, gefallen hatte.
    „Es ist
unglaublich, wie du sticken kannst!“, meinte plötzlich die Gelehrte Hodka
anerkennend. „Ist das ein fränkisches Muster? Es ist schlicht, aber
wunderschön.“
    Radegund
lächelte geschmeichelt. „Ich habe das Handarbeiten im Kloster gelernt. Die
Muster denke ich mir selbst aus. Sie fallen mir ein, wenn ich schöne Dinge
sehe. Wenn ihr wollt, dann zeige ich euch einige, die ich schon in meiner
Heimat entworfen habe.“
    Plötzlich stand
sie im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. Scharka ließ schnell eine
Baumrinde bringen und Radegund kratzte Vorschläge für Muster hinein, die sie an
die Mädchen verteilte. Schließlich fragte die Hasengesichtige zaghaft, wie
Radegund ihr Haar zu zwei so kunstvollen Knoten flocht und bat, ob Radegund ihr
für ein bevorstehendes Fest ebenso eine Frisur machen könnte. Der Schatten, der
seit dem gestrigen Tag auf Radegunds Seele gelastet hatte, löste sich langsam
auf. Als eine Magd herein kam, um die jungen Frauen zum Mittagsmahl zu rufen,
begriff sie, dass der ganze Vormittag vergangen war, ohne dass ihr trübe
Gedanken gekommen wären. Nach dem Essen brauchte sie keine weitere Aufforderung
mehr, um Scharka von Neuem zu folgen.
    Das entspannte
Zusammensein wurde plötzlich unterbrochen. Die Eintretende gehörte sichtlich
nicht an diesen friedlichen Ort: Sie trug die schlichte Tunika und Beinkleider
eines Kriegers. Das hellblonde Haar war zum Zopf geflochten, aus dem mehrere
wirre Strähnen heraushingen. Erstaunt musste Radegund feststellen, dass man
Vlasta trotzdem nicht hässlich nennen konnte. Von ihrer stolzen Haltung, den
hohen Wangenknochen und dem strahlenden Blau ihrer Augen ging ein besonderer
Reiz aus.
    „Ich wollte
fragen, ob einige von euch mit mir zu den Schwertübungen gehen wollen",
verkündete die tiefe Stimme des Mannweibs. „Ich hätte jetzt für euch Zeit.“
    Svatava stand
auf. Radegund waren bereits ihre kräftigen Arme aufgefallen. Hodka folgte
ebenfalls, gemeinsam mit zwei anderen Mädchen, deren Namen Radegund wieder
vergessen hatte.
    „Ich hoffe, du
bist mir nicht böse, dass ich dir deine Gefährtinnen für eine Weile
entführe", meinte Vlasta grinsend zu Scharka. Lidomirs Schwester
schüttelte den Kopf.
    „Nur zu, sie
sollen ruhig das Kämpfen lernen. Ich selbst bin da wie meine Mutter. Ich mag es
nicht, aber ich weiß, dass es sehr wichtig sein kann.“
    „Na, dann noch
viel Spaß beim Spinnen und Weben", verabschiedete sich Vlasta spöttisch,
doch es war ein freundschaftlicher Spott. Selbst Radegund nickte sie zum
Abschied zu, als hätte sie ihre Feindseligkeit bei ihrer ersten Begegnung
bereits vergessen. Als Vlasta den Raum

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