Die Träume der Libussa (German Edition)
stattdessen. Eine unangenehme Erinnerung stieg sogleich in ihr
hoch. Die nächtliche Kammer mit der heidnischen Zauberin, die in die Tiefen ihrer
Seele geblickt hatte.
„Dann war da
noch eine junge Frau, die Schülerin dieser Kazi“, redete Frederik weiter. „Sie
kümmerte sich um mich, als es mir allmählich besser ging. Ich habe noch nie
eine solche Erscheinung gesehen. Ihre Haut ist dunkelbraun, und sie hat dickes
Haar. Trotzdem ist sie wunderschön. Sie sprach viel mit mir, zeigte mir die
Kräuter, die sie sammelt und wie sie Salben herstellt. Dieses Mädchen ist
unglaublich klug, obwohl es nicht einmal lesen kann", erzählte er mit
leuchtenden Augen.
Radegund
nickte. Offenbar hatte Tschastawa in dem Jungen die Sehnsüchte eines Mannes
geweckt. Frederik musste noch viel lernen, denn dass eine so reizvolle,
angesehene Frau sich für einen halbwüchsigen Mönch begeisterte, erschien ihr
mehr als unwahrscheinlich.
„Sie heißt
Tschastawa und ist Kazis Tochter", meinte Radegund nur. Frederik gab ihr
das angenehme Gefühl, es sei eine Ehre, all diese Leute zu kennen.
„Es heißt, sie
sei die Tochter der berühmten Heilerin. Aber sie hat ein Geheimnis, das sie mir
anvertraute.“ Frederiks Augen leuchteten stolz. „Es gibt in der Hütte dieser
Kazi eine ehemalige Bedienstete, die jetzt zu sehr kränkelt, um noch zu
arbeiten. Tschastawa pflegt sie aufopfernd. Und diese Frau ist pechschwarz, als
hätte man ihren Körper mit Kohle eingerieben. Die Farbe lässt sich aber nicht
abwaschen. Die Frau muss so geboren sein.“
„Es gibt
schwarze Menschen. Meine Mutter, die aus Ravenna stammte, erzählte mir davon.
Sie kommen aus einem weit entfernten Land im Süden", erklärte ihm
Radegund.
„Und Tschastawa
ist sich sicher, dass diese Frau sie geboren hat, auch wenn Kazi ihr darüber
jede Auskunft verweigert. Es macht auch Sinn, denn woher hätte das Mädchen
sonst seine dunkle Haut? Sie erzählte mir, dass es manchmal schwer sei, mit
zwei Müttern zu leben, denn die Heilerin ist eifersüchtig auf die Schwarze,
obwohl diese nur eine Bedienstete ist", beendete Frederik seinen Bericht.
Radegund sah
keinen Grund, warum Tschastawa klagen sollte, denn sie galt als Tochter einer
angesehenen Frau, hier, in einem Land, wo Töchter wichtiger waren als Söhne.
Trotzdem staunte sie, dass dieses Mädchen sich ausgerechnet Frederik anvertraut
hatte. Es musste an dem kindlich offenen Wesen des Jungen liegen. Plötzlich
begriff sie, dass Gundolf ihn genau aus diesem Grund mitgenommen hatte. Der
naive Junge ebnete ihm den Weg in die Herzen der Menschen und war leicht zu
lenken. Ihr wurde etwas schwindelig. Gundolf war nicht nur von seinem Glauben
besessen, sondern zudem auch noch gerissen.
„Und bevor ich
es vergesse, Radegund“, meinte Frederik schließlich. „Ich soll dir von Gundolf
ausrichten, dass er gern mit dir reden möchte. Du sollst ihn in unserer Hütte
aufsuchen, am Besten des Abends, wenn es kühler ist und die Kampfübungen
beginnen.“
Radegund hatte
aus unerklärlichen Gründen sofort ein ungutes Gefühl.
„Ich würde gern
in Gegenwart meines Gemahls mit ihm reden. Es ziemt sich nicht für eine
verheiratete Frau, einen Mann allein in seinem Heim zu besuchen",
erinnerte sie an die Sitten ihrer Heimat. Auf einmal erwiesen diese sich als
nützlich. Hier bei den Behaimen gingen Frauen, wohin es ihnen gefiel.
Frederik sah
sie verwirrt an. „Aber Gundolf ist doch ein Mönch, ein echter Mann Gottes. Du
brauchst nichts zu fürchten. Sein Betragen gegenüber Frauen ist niemals
zudringlich.“
Das schien
Radegund einleuchtend, denn Gundolf mochte keine Frauen. „Lidomir könnte es
dennoch missfallen", meinte sie hartnäckig.
Frederik wirkte
unglücklich, dass seine Aufgabe sich als schwerer erwies denn angenommen.
„Gundolf sagte ausdrücklich, dass er mit dir allein sprechen möchte. Er will
nicht, dass dein Gemahl etwas davon erfährt. Du musst dir wirklich keine Sorgen
machen. Er will dem Sohn der Fürstin sicher keinen Schaden zufügen", sagte
er.
„Darum geht es
nicht", Radegund straffte entschlossen die Schultern. „Gundolf hat kein
Recht, mir Befehle zu erteilen. Wenn ich sage, ich will nur in Lidomirs
Gegenwart mit ihm sprechen, so möge er das bitte hinnehmen oder auf eine
Unterhaltung verzichten.“
Zufrieden, das
Gespräch so beendet zu haben, wartete sie auf Frederiks Fortgehen, doch der
verzweifelte Ausdruck auf seinem Gesicht erschreckte sie.
„Bitte,
Radegund, Gundolf wird furchtbar wütend
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