Die Träume der Libussa (German Edition)
Räumen für sie und ihre
Familie. Thetka und Eric waren bald ebenfalls bereit mitzuhelfen, da ihnen der
Sinn nach einem neuen Abenteuer stand. Zwar erwies es sich als mühselig, doch
Thetkas Stolz verbot es ihr, sich wieder gelangweilt zurückzuziehen.
Schließlich traf auch Kazi ein, um Arbeiter zu versorgen, die von Baumstämmen
oder beim Errichten der Wände verletzt worden waren.
Um den großen
Bau herum entstanden Getreidespeicher sowie die Hütten für jene Bauern, die
sich als Handwerker und Bedienstete in Praha niederlassen wollten. Zunächst
grub man viereckige Gruben in den Boden, um die herum die Wände errichten
wurden. Seit jeher wurden die Wohnhäuser ihres Volkes tieferdig angelegt, so
dass man eine kleine Leiter hinuntersteigen musste, wenn man sie betrat. Ihre
Strohdächer reichten bis zum Boden.
Man hatte
bereits mit dem Bau der Festungsmauer begonnen, als Krok von seiner Reise
zurückkehrte. Libussa machte sich sogleich auf den Weg nach Chrasten, sobald
sie die Neuigkeit hörte, und trat ihrem Onkel mit verschmutztem Gewand und
wundgeriebenen Händen entgegen.
Sie wusste,
dass sie jetzt endgültig aussah wie die Gefährtin eines Bauern, und war bemüht,
diesen Umstand unterhaltsam zu finden, was ihr Onkel mit Sicherheit nicht tat.
Unsicher richtete sie ihren Blick auf sein Gesicht, doch war darin nicht der
befürchtete Ärger zu erkennen.
„Du willst eine
neue Festung bauen, hat man mir erzählt. Ist das Zuhause deiner Vorfahren nicht
mehr gut genug für dich?“
Sie hatte mit
dieser Frage gerechnet und ihre Antwort sorgfältig vorbereitet. „Auch Chrasten
wurde erbaut, weil es nötig war. Vorher hatten wir ein anderes Zuhause. Nun ist
es an der Zeit, eine neue Siedlung zu gründen, denn unsere Dörfer sind zu sehr
gewachsen.“
Er nickte
nachdenklich. „Man könnte aber auch einfach nur neue Dörfer und Felder anlegen.
Warum gleich eine Festung?“
Libussa wusste,
dass es wenig Sinn hätte, ihm von einem Traum zu erzählen. Doch es fiel ihr sehr
schnell eine andere Begründung ein: „Wenn Angreifer kommen, wollen die Bauern
aus dem Umland in die Festung flüchten. Doch Chrasten und unsere anderen
kleinen ummauerten Siedlungen reichen nicht mehr aus, um alle Leute
aufzunehmen. Außerdem kann in den neuen Getreidespeichern mehr gelagert werden,
falls wieder Notzeiten kommen.“ All diese Dinge hatte sie von Premysl erfahren.
Krok blickte
weiter skeptisch drein, widersprach aber nicht. Lange schwieg er, in Gedanken
versunken, und Libussa schämte sich ihrer eigenen Ängstlichkeit. Wann endlich
würde sie lernen, jenem Mann, der sie erzogen hatte, furchtlos die Stirn bieten
zu können? Warum kostete jede Auseinandersetzung mit ihm sie immer noch
Überwindung?
„Stammt die
Idee von dir oder von Premysl?“, fragte Krok schließlich stirnrunzelnd.
„Wir wollten es
beide“, erwiderte sie wahrheitsgemäß, denn ohne Premysls Hilfe würde sie immer
noch darüber nachgrübeln, welchen Sinn ihre seltsamen Träume hatten.
Krok fuhr sich
mit den Fingern durch sein silbergraues Haar. „Nun gut, es hört sich an, wie
eine Sache, die ihr beide zusammen ausgeheckt habt. Wie viele Arbeitskräfte
sind es?“
„Mittlerweile
an die hundert, Onkel. Premysl ließ die Nachricht im Umland verbreiten, und
viele sind gekommen. Junge Bauern, denen es in ihren Dörfern zu eng geworden
ist. Manche sind, glaube ich, auch vor Sklavenhändlern geflohen. Wir stellen
keine Fragen, solange sie ihre Arbeit verrichten.“
„Ich werde einige Reiter losschicken, damit die
Kunde noch weiter dringt. Ihr braucht mehr Menschen, um eine solche Siedlung am
Leben zu erhalten“, erklärte der Onkel zu ihrer Überraschung. „Und morgen werde
ich mir euer Bauwerk einmal ansehen. Ich vermute, weder Premysl noch du hat
eine Ahnung, wie man einen sicheren Schutzwall errichtet.“
Das Grundgerüst
der Mauer von Praha bestand aus Holzbalken, die mit einer dicken Schicht von
Steinen verstärkt werden mussten, damit kein Feind sie einfach niederbrennen
konnte. Männer wurden losgeschickt, um Steine aus nahe gelegenen Felsen zu
brechen und sie mit Hilfe von Karren zur Baustelle zu transportieren. Dies
schien der mühseligste und anstrengendste Teil des ganzen Baus. Premysl
beteiligte sich selbst an den schweren Arbeiten. Viele Wochen lang sah sie ihn
nur im Zustand völliger Erschöpfung. Die Schwielen an seinen Handflächen
verhärteten sich, während die steinerne Wand so langsam wuchs, dass Libussa
kaum Unterschiede
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