Die Träume der Libussa (German Edition)
fragte sie verwirrt.
Der Händler
musterte sie staunend und etwas befremdet. „Warum sollten sie das? Eine Frau
braucht Sicherheit und Schutz. Wenn sie nach den Geboten meines Gottes leben
will, so ist sie einem Mann dankbar, der ihr dies bieten kann.“
Diese Antwort
gefiel Libussa nicht. Sie suchte nach einer angemessenen Erwiderung, doch
Thetkas laute Stimme kam ihr zuvor: „Ich würde lieber sterben als den ganzen
Tag eingesperrt zu sein und nur faul und nutzlos herumzuliegen!“
Lachen,
Klatschen und Grölen hallten sogleich durch den Saal. Der Händler blickte
sichtlich angewidert drein und hüllte sich in zorniges Schweigen. Um seine
Laune wieder zu verbessern, forderte Libussa ihn auf, etwas von seinen Reisen
zu erzählen. Muhammad berichtete, wie er zunächst das Reich der Franken, später
das Land Rus und schließlich gar das Khaganat der Awaren durchquert hatte, doch
nun waren seine Worte weniger blumig, als sei er des Redens müde geworden.
„Viele heidnische Völker dieser Welt leben nach ihren uralten Sitten“, meinte
er schließlich. „Doch es ist möglich, dass bald eine neue Zeit hereinbrechen
wird.“
Sie fragte ihn
vergeblich, was er damit meinte. Muhammad deutete nur an, Gerüchte gehört zu
haben. Der kurze Moment, da dieser Mann die Sehnsucht nach einem Abenteuer in
ihr wecken konnte, war zu ihrer Erleichterung verflogen. Thetka hatte sie von
dem seltsamen Zauber befreit, indem sie deutlich machte, dass ein Verlies nicht
die Freiheit ersetzte, ganz gleich, wie prächtig eingerichtet es war. Libussa
spürte kein Verlangen mehr nach einem Mann, der es für selbstverständlich
hielt, Frauen hinter Schloss und Riegel zu halten. Muhammad schien die Kluft
zwischen ihnen ebenfalls zu bemerken, denn er war merklich kühler geworden.
Nachdem er höflich abgelehnt hatte, etwas von dem Schweinebraten auf dem Tisch
zu kosten, was angeblich sein Gott ihm verbot, entschuldigte er sich und ging
in die ihm zugewiesene Kammer.
„Nicht einmal
den Met hat er angerührt, dieser aufgeblasene Wichtigtuer!“, rief Thetka
lautstark, bevor neue Gespräche aufkamen und der Fremdling in Vergessenheit
geriet. Libussa streckte ihre Hand unter dem Tisch nach Premysl aus und fühlte
mit Freude den Druck seiner Finger.
Der Markttag
verlief ohne unerfreuliche Zwischenfälle. Muhammad Ibn Said bot Waren von
unglaublicher Schönheit an: fein verzierte Gefäße, kunstvoll gefertigten
Schmuck aus Silber und Gold sowie Leinen und sogar ein paar Ballen von jener
Seide, die Krok einmal von seinen Reisen mitgebracht hatte. Er fand jedoch
keine Käufer für diesen Stoff, der zu zart schien für das Leben im Lande der
Behaimen. Die einheimischen Händler, die regelmäßig zum Markttag kamen,
beschränkten sich darauf, Schmuck und Gewürze zu erwerben. Sie gaben dem
Fremden dafür Felle von Bibern, Mardern und Füchsen. Darüber hinaus erstand
Muhammad einige bestickte Tücher und wirkte sehr beeindruckt von Premysls Kunst
der Holzschnitzerei. Für drei seiner Götterfiguren bekam Libussas Gefährte ein
Silberarmband, das er ihr lächelnd überreichte. Sie fragte sich, ob er etwas
von dem Reiz gespürt hatte, den der Fremde einen Augenblick lang auf sie ausüben
konnte. Es hätte Premysls Klugheit entsprochen, darüber keine Worte zu
verlieren, sondern einfach froh zu sein, sie weiter an seiner Seite zu wissen.
Nachdem der Markt beendet war, schien auch Muhammad wieder guter Laune. An den
Ständen wurde noch Met ausgeschenkt. Der Händler gesellte sich zu Libussa und
Premysl, obwohl er weiterhin nur Wasser trinken wollte. Er ließ sich die
Bedeutung der Götter erklären, deren Gestalten er als Holzschnitzerei erworben
hatte, und meinte, ihre Fremdartigkeit würden sie in seiner Heimat zu einem
reizvollen Geschenk machen, ebenso wie die bunt bestickten Tücher. Libussa
unterdrückte ihren Unmut, dass Figuren von Mokosch und Veles in einem fremden
Land als Kuriositäten zur Schau gestellt werden sollten. Es schien ihr ein
notwendiges Opfer, um in Praha für Wohlstand zu sorgen. Bei Einbruch der
Dunkelheit verabschiedete Muhammad sich freundlich, und Libussa sah Anlass zur
Hoffnung, dass er trotz einiger unangenehmer Gespräche ihre Siedlung als
Handelsort weiterempfehlen würde. Sie lehnte sich an Premysl und erklärte ihm
flüsternd, wie gern sie nun allein mit ihm in ihrer Kammer wäre. Muhammad
schien ihr nur klarer gemacht zu haben, welches Glück sie in ihrem Gefährten
gefunden hatte.
Kvetas
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