Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
kaum neue Erkenntnisse über diese seltsame Welt, doch einige waren sehr beeindruckend für ihn. Diese ging er in einem ruhigen Augenblick dann noch einmal in Gedanken durch und vergrub sie tief in seiner Erinnerung. Sie hatten fast ausnahmslos mit einer Frage von ihm begonnen.
»Wer ist der Mann mit den schwarzen Augen?«
»Das ist T'sin, einer der Propheten. Du wirst dich erinnern, ich habe dir von ihnen erzählt. Sie führen unser Volk.«
»Es sind eure Führer?«
»Ja, ich denke schon.« C'tis dachte einen Augenblick darüber nach. Für sie waren die Propheten eine Selbstverständlichkeit, daher hatte sie ihre Stellung noch nie in Frage
gestellt. »Mehr als alles andere sind sie Berater, nehme ich an.«
»Aber alle Arbeiten werden von Leuten wie dir getan?« Ardens Abneigung gegen jede Form von Autorität war offenkundig. »Findest du das nicht ungerecht?«
»Still! Solche Ideen könnten mich in Schwierigkeiten bringen«, antwortete sie mit einem nervösen Blick zum Höhleneingang.
»Manche Ideen sind es wert, dass man dafür in Schwierigkeiten kommt«, erklärte er ihr.
C'tis beobachtete ihn eine Weile genau und fragte sich, wieviel Unruhe dieser Fremde in ihr Leben bringen würde.
»Die Propheten wissen vieles, das wir nicht wissen«, sagte sie schließlich. »Über unsere Vergangenheit und auch über unsere Zukunft. Sie haben sich noch nie geirrt oder uns getäuscht, und wir haben allen Grund, dankbar zu sein und ihnen zu vertrauen.« Wenn sie auch in letzter Zeit ein wenig exzentrisch sind, fügte sie im stillen hinzu.
»Klingt fair«, meinte Arden, obwohl er sich nicht ganz überzeugt anhörte. »Woher haben sie ihr Wissen?«
»Sie sind unsere Verbindung zu Rael«, erwiderte sie. »Er führt sie durch Träume und Visionen ...«
»Wer ist Rael?«
C'tis zögerte. Als sie weitersprach, kamen ihre Worte langsam und mit Bedacht, so als wiederhole sie eine auswendiggelernte Lektion. »Er ist der gute Gott der Unterwelt, der Geist der Erde. Seine Träume besitzen eine solche Kraft, dass sie für uns Wirklichkeit werden. Diese Höhle, der Fels, du und ich, wir sind alle Teil seines Traums. Wie auch die ganze Welt.«
Gemma hat das gleiche behauptet, dachte Arden, doch sie hat es Weltgeist genannt.
»Glaubst du das alles?« fragte er.
»Natürlich.« Sie hielt inne, dann fügte sie hinzu: »Das tun wir alle. Das hier hat nicht plötzlich einfach angefangen zu existieren, oder?« Sie deutete mit einer Geste auf die Höhle ringsum.
»Er schläft also?« hakte Arden nach.
»Was?«
»Wenn Rael träumt, dann muss er doch schlafen.«
»Nicht unbedingt«, antwortete sie mit Unbehagen. »Man kann einen Gott nicht nach menschlichen Maßstäben beurteilen.«
»Vermutlich nicht.«
»Und außerdem kann man träumen, ohne zu schlafen. Sieh doch, was mit dir passiert ist, als du das Raellim genommen hast.«
Arden schüttelte sich. »In den Träumen möchte ich wirklich nicht leben«, meinte er. Dann fiel ihm etwas anderes ein, und er fing an zu grinsen. »Soll das heißen, dein Rael ist pilzsüchtig?«
»Nein!« rief sie empört. »Ganz und gar nicht!« Seine ketzerische Haltung hatte sie ehrlich schockiert, trotzdem konnte sie nicht anders, sie musste über seine Vergnügtheit lächeln. »Bitte, sag bloß nichts Derartiges, wenn du den Propheten begegnest«, flehte sie ihn an.
»Ich werde mein bestes Benehmen an den Tag legen«, versprach er. »Es hat keinen Sinn, sich mit dem Botschafter eines Gottes anzulegen.«
»Warum sind ihre Augen so dunkel?«
»Das geschieht nach und nach - je mehr Raellim sie zu sich nehmen, desto dunkler werden ihre Augen.«
»Raellim - das ist der Pilz, von dem ich gegessen habe?«
»Ja.«
»Werden sich auch meine Augen dunkel verfärben?« Die Vorstellung schien Arden eher unangenehm zu sein.
»Vermutlich nicht. Sie essen das Raellim regelmäßig, wenn auch nur in winzigen Mengen, und die Veränderung geht langsam vonstatten. Sie dauert mehrere Flusszyklen.«
»Dann habe ich vermutlich eine ziemliche Überdosis genommen?«
»Die Menge hätte dich mehrmals töten müssen«, erwiderte C'tis. »Ich weiß noch immer nicht, wieso es nicht dazu gekommen ist.« »Oh, ich bin zäher als die meisten«, meinte er in dem prahlerischen Ton, den sie gerade erst an ihm entdeckte. Ihre Feststellung hatte ihn jedoch sichtlich schockiert, und die nächste Frage klang etwas sachlicher. »Warum nehmen sie dann das Risiko in Kauf und essen das Zeug?«
»Weil es den Geist für Rael
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