Die träumende Welt 03 - Das Zeitalter des Chaos
gerundeten Bauch hinzu.
»Schlimm, findest du nicht?« meinte ihre Freundin lachend.
Gemma fand, dass sie Mallory noch nie strahlender erlebt hatte, und sagte ihr das auch.
»Danke für deine freundlichen Worte«, gab ihre Freundin zurück, »aber ich fühle mich so groß wie unser Haus! Wenigstens dauert es jetzt nicht mehr lange. Wirst du sie dir für mich ansehen?«
Als Gemma Mallorys ausgestreckte Hände ergriff, wurden die anderen still. Sie schloss die Augen und ließ sich von ihrem besonderen Sinn in den Körper ihrer Freundin führen, wo sie Gesundheit und Vitalität feststellte. Das Gefühl, das sie von dem Kind dort drinnen empfing, erstaunte Gemma - wie ungeduldig es darauf wartete, in die Welt hinauszutreten. Es schien alles daranzusetzen, noch vor der Zeit bereit zu sein. Schon vor der Geburt des Kindes war deutlich zu erkennen, dass es ihm nicht an Entschlossenheit fehlen würde.
»Sie ist wunderschön«, sagte Gemma tonlos.
»Dann kommt sie nach ihrer Mutter«, meinte Kragen dazu, doch Gemma hörte ihn nicht. Sie hatte einen Bewusstseinsschub erfahren, der sie in eine Szene hinüberführte, die ihr auf den ersten Blick vertraut vorkam: das Bild des zukünftigen Kindes, das aus großer Höhe auf die Welt hinabblickte. Es war, als stünde es auf dem Gipfel eines hohen Berges. Einige Monate zuvor hatte Gemma dasselbe gesehen, doch diesmal verblasste die Vision nicht. Im Tal unterhalb des Berges öffnete sich ein Schlund, der Feuer und geschmolzenes Gestein ausspie. Dann winkte das Kind mit seiner winzigen Hand, und die Flammen verschwanden. Jetzt füllte sich das Tal mit Wasser, ein heiterer, unergründlicher See entstand, der sich im Dunst des Horizonts verlor. All dies schoss Gemma in diesem Augenblick durch den Kopf, mit einer Plötzlichkeit, die sie erschütterte. Sie erholte sich nicht schnell genug, um ihre vorübergehende Besorgnis vor ihrer Freundin zu verbergen. Mallory hatte Fragen in den Augen, aber sie stellte sie nicht. Statt dessen erkundigte sie sich nur nach der Gesundheit ihres Babys, und Gemma war froh, sie beruhigen zu können. Das Übrige konnte warten, bis sie Gelegenheit fanden, allein zu sein.
»Gehen wir ins Haus«, schlug Kragen vor. »Dort wartet ein Mahl auf euch.«
»Das habt ihr wunderbar abgepasst!« jubelte Hewe. »Reisen macht mich immer hungrig.«
»Das war nicht schwer«, erwiderte sein Gastgeber. »Wir wussten, dass du kommst - Winder hat dich vom Rabenfelsen herunterreiten sehen. Im Galopp, als hätte er Dämonen auf den Fersen, lauteten seine genauen Worte.«
»Davon haben wir wirklich genug gesehen«, meinte Arden lachend, »aber nicht hier.«
»Wir wären euch entgegengekommen, aber ...« Mallory tätschelte ihren Bauch.
Niemand fand es bemerkenswert, dass der Umstand, dass Winder die Ankömmlinge gesichtet hatte, so schnell im Tal bekannt geworden war. Die Gemeinde verfügte über eine Art geistiger Osmose, die sie als Wissen bezeichneten. War irgendeine Neuigkeit für sie von Interesse, brauchte nur einer von ihnen sie zu erfahren, und in weniger als einer Stunde wussten alle anderen ebenfalls davon - unabhängig von jeder normalen Kommunikation. Es war nicht die Gedankenübertragung, die Gemma mit den Meyrkats teilte, sondern weniger zielgerichtet, universaler. Dieses gemeinsame Wissen war eines von vielen Dingen, die das Tal zu einem so besonderen Ort machten.
Das Mahl war ein Fest. Es gab Bier und Wein zum Hinunterspülen der köstlichen Speisen. Wie immer aß niemand Fleisch. Die Menschen aus dem Tal zogen es vor, ihr Zuhause mit den Tieren zu teilen, und lebten stattdessen von den üppigen und zahlreichen Erzeugnissen ihres Bodens.
Anfangs schien es, als müssten Arden und Gemma den ganzen Abend lang erzählen, doch nach einer Weile unterbrach Hewe den unablässigen Strom von Fragen und erklärte, er müsse am nächsten Tag aufbrechen.
»Wieso kannst du nicht länger bleiben?« protestierte Mallory.
»Du weißt, dass du bei uns mehr als willkommen bist«, fügte ihr Mann hinzu.
»Ich danke euch, aber ich muss zurück«, erwiderte Hewe. »Ich muss einige Zeit in Altonbridge verbringen, und Jordan kann nicht zu lange auf mich verzichten. Vielleicht können euch die beiden hier von ihren Heldentaten erzählen, wenn ich fort bin. Aber bevor ich aufbreche, möchte ich wissen, wie die Dinge hier im Tal stehen. Jordan hat einen ausführlichen Bericht verlangt, und wenn ich mich an alles erinnern soll, was ihr mir erzählt, dann sollte ich es mir
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