Die träumende Welt 03 - Das Zeitalter des Chaos
glitschigen silbrigen Geschöpfe faszinierten, watete ins Wasser, um sich die Sache aus der Nähe anzusehen. Der Fisch tanzte, auf der Seite liegend, auf der Wasseroberfläche und machte keine Anstalten, davonzuschwimmen. Jon streckte vorsichtig die Hand aus, bekam seinen Schwanz zu fassen, dann hob er das widerstandslose Etwas aus dem Wasser. Es bewegte sich noch immer nicht.
»Er ist tot«, lautete Vances Kommentar vom Ufer.
»Seine Augen sind ganz komisch«, sagte Jon. »Milchig.«
Er piekste den Fisch mit einem Finger seiner freien Hand. Ein paar Schuppen fielen ab und wurden von der Strömung davongetragen.
»Er muss furchtbar viel gegessen haben«, meinte er, als er den aufgeblähten Bauch des Tieres betrachtete.
»Bring ihn her«, meinte Vance zu ihm.
»Wir bringen ihn nach Hause und zeigen ihn Arden«, entschied Jon. »Er kennt sich mit seltsamen Tieren aus.« Er watete ans Ufer, und die beiden Jungs machten sich auf den Weg quer über die Felder.
»Er stinkt ekelhaft«, sagte Vance, als sich dem Hof näherten. »Trag ihn besser nicht ins Haus.«
Jon sah es ein und legte den Fisch auf die Erde, bevor er ins Haus lief.
»Kommt mal her und seht, was ich hier habe!« brüllte er, und ein paar Augenblicke später folgten ihm Arden, Gemma und seine Mutter nach draußen.
»Jetzt sieht er nicht mehr so schön aus«, sagte er traurig. »Vorhin hat er noch geglänzt.«
Bevor die Erwachsenen Gelegenheit hatten, irgendeine Bemerkung zu machen, hatte Jon sich einen Stock geschnappt und stocherte damit in seiner Beute herum - als wollte er den Fisch dafür bestrafen, dass er nicht mehr schön aussah. Als er mit einem Ausrufs der Ekels zurückwich, sahen die anderen, was ihn so angewidert hatte.
Der Bauch des Fisches war aufgeplatzt und seine Eingeweide quollen heraus. Die Innereien hatten eine leuchtend grüne Farbe.
Arden hatte Mühe, sich nicht zu übergeben. Er schnappte nach Luft und sah wieder den vergifteten Flusslauf im licht- losen Königreich vor sich, die unbarmherzige Ausbreitung der Verschmutzung.
»Nein!« schrie er. »Nicht hier. Bitte nicht hier!«
Jon lief zu seiner Mutter und fing an zu weinen.
»Halte sie davon fern!« riet Gemma ihnen, die blass geworden war.
»Vance, lauf und hole deinen Vater«, wies Mallory ihn an, und ihr älterer Sohn tat, wie ihm aufgetragen.
»Sorgt dafür, dass niemand ihn berührt!« erklärte Gemma ihnen, die sich wieder etwas beruhigt hatte. »Holt eine Schaufel, legt ihn in einen Behälter und vergrabt ihn dann tief in der Erde.« Selbst aus der Entfernung spürte sie die Ausstrahlungen des Bösen, all ihre Heilerinneninstinkte sträubten sich.
»Das wird nichts nützen.« Arden drehte sich zu ihr um, sein Gesicht wirkte verhärmt. »Verstehst du nicht? Es liegt am Fluss! Wenn der Fluss vergiftet ist, dann ist das ganze Tal verdammt.«
Jon, der in den Armen seiner Mutter lag, weinte noch heftiger.
Während der nächsten paar Tage wurde das Tal von viel Leid heimgesucht. Die Krankheit breitete sich aus, Pflanzen, die nah am Fluss standen, wurden braun und starben ab, Bäume verfaulten an ihrem Standort. Man konnte die Kadaver von Fischen und anderen Tieren im Fluss treiben sehen.
Die Gemeinde tat, was sie konnte. Man versiegelte die Auffangbecken, um die Vorräte an Frischwasser vor dem Verderben zu schützen, und siedelte ganze Familien vom Flussufer in die höher gelegenen Regionen um. Darüber hinaus jedoch konnte man nicht viel tun, außer darauf hoffen, dass dieses Unheil vorüberging - oder dass der Fluss zur Wintersonnenwende, die jetzt nur noch wenige Tage entfernt war, austrocknen würde, damit das Tal sich erholen konnte.
Angesichts dieser grässlichen Bedrohung schwankten Ardens Gefühle zwischen Wut und Hilflosigkeit. Die Vorstellung, das Tal könnte schließlich doch verloren sein, deprimierte ihn zutiefst. Er wollte in die Berge gehen, zur Quelle des Flusses, oder zurück nach Newport, um Jordans Hilfe zu gewinnen - oder vielleicht im Lichtlosen Königreich um Rat fragen. Er wollte irgendetwas tun. Doch seine Ideen zerschlugen sich allesamt, und so blieb er und half, wo er konnte.
Gemmas Fähigkeiten waren natürlich sehr gefragt. Sie konnte zwar einige der Symptome der Grün-Krankheit mildern, doch sie konnte sie weder heilen, noch erkannte sie ihre Ursache. Sie arbeitete unermüdlich, aber das Herz war ihr schwer, und jeden Abend kehrte sie mit der Befürchtung nach Hause zurück, jemand aus Mallorys Familie könnte das jüngste Opfer
Weitere Kostenlose Bücher