Die träumende Welt 03 - Das Zeitalter des Chaos
nahe, und so hatte ihn ihre heimliche Abreise sehr verletzt. Sie hatte ihn verärgert, verraten und sehr allein zurückgelassen, unfähig, in der Gesellschaft anderer Trost zu finden. Er begann, ein Doppelleben zu führen. Tagsüber war er nach außen hin glücklich und ein wenig geistesabwesend, und jeder am Hof liebte ihn, nachts jedoch wurde er wieder zum Zauberer, ganz gleich, wie emsig er versuchte, es vor sich selbst zu leugnen. Schon immer hatten ihn Träume verfolgt und gezwungen, gewisse tragische Ereignisse aus der Vergangenheit erneut zu durchleben. In Gemmas Abwesenheit wurden diese Träume noch quälender. Als die Monate vergingen und sie noch immer nicht zurückkam, verbrachte er mehr und mehr Zeit in seinem Schlupfwinkel in den Bergen und sehnte sich nach Frieden.
Und dann, in einer schlimmen Nacht, hatte ein neuer, noch lebhafterer Traum seine Welt wieder einmal auf den Kopf gestellt. Gemma war wie ein Geist in sein einsames Zimmer getreten, und Angst hatte ihn gepackt, bis er schließlich begriff, wie weit sie sich entfernt hatte und wie mächtig sie geworden war. Er war hilflos, doch seine Schwäche wurde für sie zum Geschenk - dem einzigen, das er noch zu bieten hatte -, als sie ihm die Geheimnisse entriss, die er so lange verborgen hatte. Doch selbst im Traum hatte er ihr seine Liebe nicht gestehen können.
Danach waren die Kontakte zu Gemma selten, wenn auch sehr real geworden: Tagträume, während derer er sich mit ihr unterhalten konnte, auch wenn er nicht immer alles sagen konnte, was er wollte. Sie wurde zu einem immer anwesenden, wenn auch schrecklich weit entfernten Phänomen in seinem Geist - außer in jenen Zeiten, wenn sie an jenen geheimen Ort verschwand, der sie, zu seinem Leidwesen, verborgen hielt. Wie auch immer, die Augenblicke, in denen er mit ihr unmittelbar kommunizieren konnte, waren selten - und wurden dadurch sehr wertvoll.
Zum erstenmal war dies geschehen, als sie ihre ganz besondere Fähigkeit einsetzte - von der Cai wusste, dass sie mächtiger war als seine jemals sein würde -, um zwei kranke Kinder gesund zu machen. Damals hatte er sie eingewiesen, denn er hatte erkannt, dass ihr Wissen ihren Fähigkeiten nicht ebenbürtig war. Er konnte sie überzeugen, dass dies keine echte Magie, sondern lediglich Heilkunst war - und damit etwas, das die Mühe lohnte.
Das zweite Mal war unendlich beängstigender gewesen. Gemma flog in einem Drachen, genauso, wie sie es früher mit ihm zusammen gemacht hatte, doch diesmal hatte ihr Flug etwas Selbstmörderisches. Cai war so lange wie es ging bei ihr geblieben, doch als er schließlich überzeugt war, dass sie sterben würde, hatte ihn die Verzweiflung gepackt. Also verließ er sie und sagte vieles, das er später bereute. Dennoch war jedes Wort seiner letzten Nachricht ernst gemeint.
»Sorge dafür, dass alle stolz auf dich sind. So wie ich. Ich habe dich immer geliebt, Gemma. Behalte mich nicht in zu schlechter Erinnerung.«
Seine düsteren Vorahnungen schienen dadurch bestätigt zu werden, dass Gemmas Anwesenheit mehrere Monate lang völlig aus seinem Kopf verschwand. Cai hatte die Hoffnung fast aufgegeben, als er ohne Vorwarnung einen lebhaften und unbestreitbar glücklichen Traum von Gemma hatte und bereits am nächsten Tag feststellte, dass er kurz mit ihrem zu neuem Leben erwachten Geist sprechen konnte. In diesem Augenblick erfuhr er auch von dem geheimen Ort und der Verborgenen, von der sie so viel gelernt hatte.
»Du hättest es mir beibringen können«, hatte sie halb tadelnd, halb bedauernd gesagt.
Er hatte dies mit Hinweis auf seinen erschütterten Glauben abgestritten, Gemma war jedoch hartnäckig geblieben und hatte ihn gefragt, ob er ihn nie würde zurückgewinnen können.
»Vielleicht mit deiner Hilfe«, hatte er geantwortet - und sogar begonnen, selbst an diese Möglichkeit zu glauben.
Es war jedoch eine andere Vision, die ihm wirklich neue Hoffnung machte - und sein Entsetzen noch vergrößerte.
Sie stand vor einem Wall aus blauen Flammen von uralter, geheimnisvoller Kraft. Cai wusste, dass er nicht alleine mit ihr war und hatte ihr voller Zuversicht die Hilfe angeboten. Ihre Willenskraft war gewachsen, gestärkt durch Adrias Unterricht, und hatte sie befähigt, den Wall zu durchbrechen. Zu seiner Bestürzung verlor er sie dann jedoch bis zu der schicksalhaften Schlacht auf einem Turm hoch über einer unbekannten Stadt. Dort hatte er ihr seine Hilfe anbieten und sie ihr trotz ihrer beharrlichen Weigerung
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