Die träumende Welt 03 - Das Zeitalter des Chaos
- und fand sich im Innern der Marmorkammer wieder.
Cai drehte sich um, um den blauen Schirm noch einmal zu betrachten - entsetzt über die wilde Grausamkeit, die bereits seine bloße Existenz erzeugte.
Es sind lebendige Wesen!
Er fand die Vorstellung ewiger Gefangenschaft fast unerträglich.
Kein Wunder, dass ihre Furcht und ihr Hass so mächtig sind.
Jetzt hatte sich auch die letzte der Bienen ihm angeschlossen, war durch die Barriere geschlüpft. Gemeinsam machten sie sich an die Erkundung der Kammer.
23. KAPITEL
Die Kammer war fast leer. Das einzige Möbelstück, das sie enthielt, war ein Marmortisch, der am hinteren Ende des Raumes stand. Auf ihm lag ein großes Buch. Cai empfand einen eigenartigen Widerwillen, diese verbotenen Seiten zu lesen, ging an den Wänden entlang und tat, als studiere er deren Konstruktion. Die Bienen waren klüger. Sie flogen direkt zum Tisch, sammelten sich und ließen sich dort zu einem komplexen Muster auf der Oberfläche nieder. Der Zauberer gab nach und näherte sich ängstlich dem Buch.
Will ich das wirklich lesen? Was, wenn es mir von Gemmas Untergang erzählt? Oder meinem eigenen? Wäre es nicht besser, unwissend der Schicksalsschläge zu harren oder ihnen direkt, mit einem kleinen Funken Hoffnung, ins Gesicht zu sehen?
Er warf einen flüchtigen Blick auf die Seiten, die offen vor ihm lagen, und las die Beschreibung von Gemmas Kampf auf dem Turm, der einst über diesem Raum gestanden hatte. Zum erstenmal erkannte er die Bedeutung dieses Konflikts - und sah, wie nahe Gemma einer Niederlage gekommen war. Er begriff noch immer nicht genau, wie es ihr gelungen war, eine Wendung herbeizuführen, erkannte aber, dass seine Beteiligung aus der Feme keine Rolle gespielt hatte.
»Nur eine Kraft hätte sich diesem Prozess widersetzen können, und die wäre fast wegen Dummheit und dem Festhalten an überkommenen Vorstellungen gescheitert«, las er laut.
Das hatte einen unangenehmen Unterton. Cai wappnete sich und las weiter.
»Die Diener der Erde errangen einen vorübergehenden Sieg, als der Schlüssel des Traumes ...«
Erinnerungen kamen ungefragt empor und versuchten, sich seiner zu bemächtigen, doch die Formulierung, die am lautesten widerhallte, war der Schlüssel des Traumes.
Wo habe ich das schon gehört?
Er dachte kurz nach. Zwei Dinge fielen ihm ein. Shantis Zitat in der schwebenden Stadt hatte mit den Worten begonnen: Denk an den Traum vergiss nicht, woher er stammt.
Und die Katze hatte gesagt: Der Schlüssel wird die Tür öffnen. Anderseits jedoch können Schlösser auch ausgewechselt werden.
Damals hatte all das keinen rechten Sinn ergeben.
Könnte dies die Verbindung zwischen beiden sein? Der Schlüssel zum Traum ist Gemma, das ist offenkundig, aber ...
Er las weiter, da er die Einzelteile des Puzzles noch nicht zusammenfügen konnte.
»... die in der stählernen Festung gefangengehalten worden war, hatte den Gesetzen der Magie wieder zu Geltung verholfen und die Kraft des Bringers der Zerstörung gegen ihn selbst gerichtet.
Dieser Rückschlag spornte die Kräfte des Tiefen Südens nur zu noch größeren Anstrengungen an. Ihre Experimente nahmen rasch an Kraft und Größe zu, und schon bald waren sie in der Lage, auf die Anwendung uralter Kräfte zu verzichten und stattdessen eine neue Logik einzusetzen, die sie selbst erschaffen hatten. Ihre Feinde standen ihnen hilflos gegenüber, und ihr Einfluss verbreitete sich rasch in der ganzen Welt. Die alte Ordnung wurde zerstört.
Und das Zeitalter des Chaos begann.«
Cai streckte die Hand aus, sein Herz klopfte wie wild und fasste die Ecke der Seite zwischen Daumen und Zeigefinger. Das Papier fühlte sich dick und doch zerbrechlich an - er erwartete fast, dass es ihm beim Umblättern zwischen den Fingern zerfiel.
Im ersten Augenblick dachte er, die nächste Seite sei leer, doch dann erkannte er, dass die Worte tatsächlich dort standen, wenn auch schwer zu erkennen. Er starrte auf sie, bis seine Augen schmerzten, doch sie ergaben keinen Sinn, und er wurde zunehmend zornig und verwirrt. Der Schwarm brummte aufgeregt.
Cai schloss die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Lange Jahre der Beherrschung seiner magischen Fähigkeiten hatten ihm gewisse Kräfte verliehen, und die dienten ihm noch immer, wenn sie auch ein wenig eingerostet waren. Er versetzte sich in einen Zustand der Ruhe, wodurch Energiefunken aufstiegen und sich auf sein Kommando hin miteinander verbanden.
Ich bin ein Zauberer, erklärte er
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