Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)
von Ihnen. Schön, dass es Ihnen gefallen hat.«
Ich schrieb auf die Titelseite:
Für Earl Parsons, das neue Haustier meiner Frau –
Mögen all Ihre Fürze leise, dafür tödlich sein.
Travis Glasgow
Ich gab ihm das Buch zurück, in der Annahme er werde die Widmung gleich lesen, tat er aber nicht. Stattdessen steckte er es schnell ein und freute sich wie ein kleines Kind. »Ich weiß das wirklich zu schätzen. Das ist mein erstes Autogramm in einem Buch überhaupt.«
Das Interview dauerte knapp eine halbe Stunde und umfasste Standardfragen, etwa wie ich im literarischen Bereich Fuß fasste, was mich inspirierte und welchen meiner Romane ich am liebsten mochte. Das führte ihn zu unseren Beweggründen, nach Westlake umzusiedeln, sowie meinen bisherigen Eindruck von der Stadt. Ich antwortete entsprechend. Der alte Mann schien zufrieden.
Während einer kurzen Pause überzeugte Jodie ihn davon, zum Mittagessen zu bleiben. Da er uns, wie er meinte, keine Umstände bereiten wollte, bekniete sie ihn, bis er nachgab, und verschwand schließlich in der Küche, um Sandwiches und Kaffee zu machen.
»Reizende Frau«, befand er, als sie gegangen war.
»Sind Sie auch verheiratet?«
»Sie sprechen mit einem Junggesellen ersten Ranges.« Er zwinkerte mir zu, wobei seine Augen funkelten. »Das heißt aber nicht, dass ich noch nie verliebt gewesen bin. Auch mir hat man mehrmals das Herz gebrochen.«
»Wie lange arbeiten Sie schon für die Zeitung?«
»Himmel.« Er stöhnte und lehnte sich im Sessel zurück. Er wirkte zu groß dafür, denn er musste die überlangen Beine unbequem verdrehen. »Wahrscheinlich schon seit gut zehn Jahren, kurz nachdem ich in der Mühle aufhörte.«
»Wissen Sie etwas von dem Jungen, der in diesem Haus lebte und im See ertrunken ist?«
Er presste zwei Finger gegen seine Stirn und er klang fast so, als sage er ein Gedicht auf: »Elijah Dentman, zehn Jahre alt. Mutter Veronica, kein Vater.«
»Gutes Erinnerungsvermögen. Wissen Sie, wer von der Zeitung die Story damals, als es passierte, übernahm?«
»Sicherlich«, antwortete er. »Ich.«
Ich blinzelte. »Kein Scherz?«
»Wie gesagt, ich bin für die Lokalpresse eine Art Woodward und Bernstein hier.« Er trommelte mit den Fingern an der Kamera vor seiner Brust. »Vermutlich auch eine männliche Annie Leibovitz.«
»Ich habe den Artikel zu dem Vorfall gelesen«, gestand ich und beugte mich auf dem Sofa nach vorn.
»Also, auch wenn ich mich vorhin noch über die langweiligen Themen beschwerte, die sich hier für eine Zeitung ergeben, muss ich gestehen, dass ich gern über Kuchenesswettbewerbe und Rassehunde schreibe, solange ich mich nie wieder mit so etwas befassen muss.«
»Waren Sie dabei, als man den Leichnam suchte?«
»Den ganzen Abend lang bis weit in die Nacht. Ich zog mich erst zurück, als die Taucher am frühen Morgen aufgaben.«
»Ohne fündig geworden zu sein«, entgegnete ich. Es war keine Frage, sondern ein Test, inwieweit wir auf gleicher Welle lagen.
»Ohne fündig geworden zu sein«, sprach er mir nach. Wir schauten einander an, und zwar einen Augenblick länger als notwendig.
»Finden Sie das nicht ungewöhnlich? Ein spurlos verschwundener Toter in einem stehenden Gewässer?«
Earl antwortete nicht sofort, weshalb ich dachte, ich hätte ihn vielleicht irgendwie beleidigt. Dann aber räusperte er sich und blickte über seine Schulter nach hinten, wohl um sicherzugehen, dass Jodie uns nicht hörte. »Das Schicksal des Kleinen ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich, und die verschollene Leiche nur die Spitze des Eisberges. Ich nehme an, Ihre Frau weiß nichts von dem, was passiert ist, weil Sie es gerade jetzt ansprechen.«
»Sie weiß, dass ein Junge im See ertrunken ist, mehr nicht. Die Einzelheiten haben sie nicht interessiert.«
»Darf ich fragen, weshalb Sie sich überhaupt dafür interessieren? Falls es mich nichts angeht, sagen Sie es mir, und ich bin ruhig.«
»Ich glaube, man hat etwas übersehen«, erklärte ich. »Die Polizei wusste angesichts eines solchen Unglücks vermutlich nicht, wie Sie im Rahmen der Ermittlungen vorgehen sollte, weshalb man nicht jeder Spur nachgegangen ist. Ich denke nicht, dass ein Kind ohne weiteres in einem Gewässer ertrinkt und dann auch noch wie vom Erdboden verschluckt bleibt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Einsatzkräfte erst mehrere Stunden, nachdem es geschehen war, zur Tat geschritten sind.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich glaube, Elijah
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