Die Trinity-Anomalie (German Edition)
die Jackentasche und holte Zigaretten und Feuerzeug aus seiner Gesäßtasche. Er lief zur Ostseite des Platzes, zündete sich eine Zigarette an und paffte ohne Genuss. Normalerweise rauchte er Marlboro Light, aber beim nächsten Taxifahrer wollte er sich als Franzose ausgeben, deshalb rauchte er jetzt dunkle Gitanes, deren unverwechselbarer Geruch in seinen Haaren hängen bleiben würde.
Diesmal sprach er Französisch mit perfektem Pariser Akzent: »
Pour la Trinité-des-Monts, s’il vous plaît.«
Als das Taxi sich in den Verkehr einreihte, sah er sich um. Niemand folgte ihm. Um seine Nerven zu beruhigen, atmete er tief und langsam und musste wieder den Impuls unterdrücken, seinen Armstumpf zu berühren.
Immer wenn er besonders müde oder gestresst war, konnte er seinen Phantomarm spüren. Der Schmerz war mit den Jahren vergangen, aber es blieb immer noch dieses irritierende Gefühl, als hätte er tatsächlich noch Finger, Hand und Vorderarm. Die Ärzte hatten ihmempfohlen, immer wenn er den Phantomarm spürte, die Haut über dem Stumpf sensorisch zu stimulieren. Damit würde er seinem Gehirn beibringen, ihm das fehlende Glied nicht mehr vorzugaukeln. Vorübergehend funktionierte es auch, aber der verdammte Arm kam immer wieder. Nach fünf Jahren hatte Giuseppe so ziemlich die Hoffnung aufgegeben, dass er jemals verschwinden würde.
Der Fahrer hielt vor der französischen Kirche an. Giuseppe wartete, bis das Taxi außer Sichtweite war, bevor er die Straße überquerte und zwischen Touristen und Studenten hindurch die Spanische Treppe hinunter zur Piazza di Spagna und an der Fontana della Barcaccia vorbeiging, den er für den langweiligsten Brunnen Roms hielt. Er überquerte den Platz und ging um eine Ecke zu einem kleinen Zeitungs- und Tabakladen. Auf dem Schild über der Tür stand
Edicola Moderna
.
Giuseppe betrat den Laden und blätterte ein paar Zeitschriften durch, und der alte Mann hinterm Tresen kündigte an, dass er über Mittag zumachen werde. Sobald alle Kunden gegangen waren, sah der Alte ihn an und sagte: »Schließen Sie ab.«
Giuseppe verriegelte die Tür und ging zum Tresen. Dabei rieb er fortwährend durch die Windjacke seinen Stumpf. »Ich muss mit Carter Ames sprechen.«
Der Alte schüttelte den Kopf. »Wenn Sie etwas zu berichten haben, reichen Sie einen Bericht ein, der dann seinen Weg nach oben macht. So läuft das laut Protokoll der Stiftung.«
»Es geht nicht nur um einen Bericht. Außerdem ist keine Zeit.«
Der Alte sah ihn fast eine ganze Minute lang an. »Wissen Sie eigentlich, was Sie da verlangen?«
»Ja.« Giuseppe kratzte seinen Stumpf noch heftiger und wünschte, seine Phantomhand würde verschwinden. »Ich verstehe schon, aber es passiert bereits und sie haben einen Priester hingeschickt, um es zu untersuchen. Sagen Sie Mr Ames, es geht um einen Prediger namens Tim Trinity. Und bestellen Sie ihm auch, dass ich so etwas noch nie gesehen habe.«
11
Emory University – Atlanta
Professor Cindy Elder, Leiterin der Logopädie-Abteilung an der Emory University, führte Daniel in ihr Büro, dessen Wände hinter Bücherreihen verschwanden, und bot ihm einen Platz an. »Ich habe seit meiner Hochzeit nicht mehr mit Pater O’Connor gesprochen«, sagte sie. Dann äugte sie über den Rand ihrer eleganten Brille. »Ich fürchte, ich praktiziere meinen Glauben nicht mehr so richtig.«
Daniel lächelte. »Ach, wir haben alle unsere Schwächen. Aber eigentlich bin ich hier, weil ich einen fachkundigen Rat brauche. Nicht, um Ihren Glauben zu prüfen.« Dann fügte er hinzu: »Ich habe Pater O’Connor gesagt, ich brauche den Besten Ihres Fachs.«
Die Professorin schien sich gebührend geschmeichelt zu fühlen. »Nun, ich helfe Ihnen gern, soweit ich kann.«
Daniel öffnete sein Notizbuch. »Wenn ich lernen wollte, rückwärts zu sprechen, wie würde ich das anstellen?«
Cindy Elder sah ihn erstaunt an. »Wie bitte?«
»Wenn ich zum Beispiel rückwärts sprechen wollte, sodass es sich, wenn man es aufnimmt und 50 Prozent schneller rückwärts abspielt, ganz normal anhört.«
Cindy Elder schüttelte den Kopf und lächelte. »Ich nehme an, Sie kennen sich mit Logopädie nicht aus.«
»Das nehmen Sie zu Recht an«, sagte Daniel.
Sie griff zum Telefon und wählte. »Gerry, ist das Audiolabor frei? Gut, können Sie in fünf Minuten da sein? Danke.« Sie hängte ein und stand auf. »Gehen wir«, sagte sie.
Das Labor sah aus wie der Kontrollraum eines Tonstudios, nur kleiner. Es gab
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