Die Trolle
fließenden Bewegung strich Sciloi sich das kurze Haar nach hinten und nickte Avram grüßend zu, bevor sie durch eine schmale Seitentür in den Ostflügel des Haupthauses trat, wo die Gemächer der Geiseln lagen. Noch einige Augenblicke lang genoss Viçinia den kühlen Wind, dann folgte sie der Szarkin.
Ein Wächter in einer Lederrüstung und mit einem Schwert an der Seite stand in dem dämmerigen Zwielicht des Ganges, der zu ihrer Unterkunft führte. Er nickte der jungen Frau knapp zu, als sie vorüberging. Kurze Zeit später betrat Viçinia die dunkle Kemenate, die man ihr zugewiesen hatte.
Sofort eilte Mirela an ihre Seite, die ebenso ihre Dienerin wie ihre Wächterin war. Natürlich spionierte die Szarkin für Zorpad und würde alles tun, was dieser verlangte.
Geschickte, schlüpfte Viçinia in ein angemessenes Kleid aus schwerem grünem Stoff und verharrte ruhig, während die Dienerin es zuschnürte.
Zorpad behandelte Viçinia nicht schlecht, besser als die anderen Geiseln auf jeden Fall, das war ihr durchaus bewusst. Sie brauchte ihr Gemach mit niemandem außer Mirela zu teilen und konnte es oft für einige Stunden am Tag verlassen. Natürlich verdankte sie diese Annehmlichkeiten der Tatsache, dass der brüchige Friede hauptsächlich von ihrer Schwester abhing.
Trotz der kleinen Vergünstigungen sehnte sie sich zurück in die Freiheit. Gerade jetzt im Herbst, wo die Winde kälter bliesen und sich die alten Gemäuer der Burg niemals richtig erwärmten, vermisste sie das Mardew und Désa. Zudem war ihr nur zu bewusst, dass die Gunst Zorpads jederzeit enden konnte. Sobald der Marczeg eine Möglichkeit sah, Viçinias Schwester zu besiegen, würde er keinen Augenblick zögern, die Geiseln umbringen zu lassen. Nein, vermutlich wird er es sogar mit seinen eigenen Händen tun, überlegte die Wlachakin grimmig.
Umso wichtiger war es herauszufinden, was Zorpad plante, denn dass sich ein neuer Sturm zusammenbraute, davon war Viçinia überzeugt. In den vergangenen Tagen und Wochen hatte sie ihre Gemächer kaum verlassen dürfen, und ihre Wächter hatten strikter als sonst darauf geachtet, dass sie keinerlei Kontakt zur Außenwelt hatte. Es gibt keinen Rauch ohne Feuer, dachte sie. Ich muss unbedingt herausfinden, was das zu bedeuten hat. Vielleicht hing nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihrer Verwandten und Freunde davon ab.
Während Mirela ihr das lange Haar auskämmte und zu einem dicken Zopf flocht, überlegte Viçinia, wie sie ihren Häschern zumindest zeitweise entgehen konnte, um Zorpads Geheimnisse zu lüften.
Vorerst aber blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten, bis man nach ihr schickte. Von draußen hörte sie, wie Pferde in den Hof ritten und Kutschen ankamen, doch das schmale Fenster in ihrem winzigen Zimmer ging auf einen fast ebenso kleinen Innenhof hinaus und bot keine Möglichkeit nachzusehen, wer dort in die Feste kam.
Ihr Blick fiel auf ein Paar abgegriffener Lederhandschuhe, das in der noch geöffneten Kleidertruhe lag – eine Erinnerung an Sten cal Dabrân, den sie vor beinahe einem Jahr auf den Zinnen von Désa zurückgelassen hatte. Oft genug hatte sie sich seitdem gefragt, wie es ihm ergangen sein mochte.
Sie kannte Sten, seit er zusammen mit seiner Zwillingsschwester in das Mardew gekommen war, ein magerer Junge mit schwarzen Augen auf der Flucht vor dem Mann, der seine Eltern getötet und sein Land gestohlen hatte.
Damals war sie noch ein halbes Kind gewesen, das Ionna so gut wie möglich von der Wirklichkeit des Krieges hatte abschirmen wollen. Der scheue Junge aus dem Norden hatte ihr oft kleine Geschenke gebracht – Blumen, seltsame Steine, aus Holz geschnitzte Vögel.
Als Sten erwachsen geworden war, war er nach Dabrân zurückgekehrt, um gegen Csiró Házy zu kämpfen, der ihm alles genommen hatte. Viçinia hatte miterlebt, wie seine Augen hart geworden waren und sein Blick gehetzt, aber auch, wie Ionna mehr und mehr ihr Vertrauen in den jungen Mann gesetzt hatte, jedes Mal ein wenig mehr, wenn er aus dem Norden zurückkehrte.
Natiole Târgusi hatte oft augenzwinkernd von ihren Taten berichtet; allerdings hatte Nati eine Vorliebe für dramatische Übertreibungen, und so hatte der hübsche Sten in seinen Erzählungen mindestens ebenso viele Masriden erschlagen wie Jungfrauen das Herz gebrochen.
Viçinia selbst hatte in jener Zeit immer öfter die eigenen Fähigkeiten für den Krieg ihrer Schwester eingesetzt. Wo Ionnas Schwert nichts hatte ausrichten
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