Die Trolle
oder aus einem Fenster. Zu seiner endlosen Erleichterung erblickte Sten keine Verletzten oder Toten in der Nähe.
Während er seine Schläfen rieb, versuchte er die Benommenheit zu vertreiben, die der Lichtblitz bei ihm hinterlassen hatte. Dann packte er Druan an der Schulter. »Los! Wir müssen hier weg!«
Mit blutverschmiertem Gesicht drehte der Troll sich zu ihm um. Mordlust loderte in seinen Augen, doch dann kehrte der Verstand zurück, und er erhob sich. Beinahe wäre Sten vor ihm zurückgewichen, aber er deutete stumm auf den Weg.
Während sie aus dem Dorf liefen, kamen sie an dem Hindernis vorbei, das Sten zu Fall gebracht hatte, und der Wlachake erkannte die Masridin, die mit grotesk verdrehten Gliedmaßen am Boden lag. Von ihrem rechten Arm, mit dem sie das Schwert geführt hatte, war lediglich ein blutiger Stumpf an der Schulter übrig.
»Sie hat mich angegriffen«, erklärte Druan, während die beiden weiterrannten und das Dorf hinter sich ließen.
Und deshalb hast du ihren Arm gefressen?, dachte Sten finster. Offenbar hatte Druan nach dem Lichtblitz den Vorbs und die Kriegerin getötet, was wohl die Dörfler in die Flucht geschlagen hatte, während Sten halb betäubt und geblendet über den Boden gekrochen war. Und dann hatte der Troll seine Klauen in den Leib des Toten geschlagen. Weiter mochte Sten nicht denken, denn das Bild des blutbesudelten Gesichts des Trolls tanzte ihm immer noch vor den Augen und erinnerte ihn daran, dass Druan ein Ungeheuer aus dunkelster Finsternis war, das plötzlich in sein Leben getreten war.
Unbehindert erreichten Sten und Druan den Waldrand und schlugen sich Richtung Norden zwischen die Bäume. Eine Weile lang schwiegen sie, doch dann sagte Druan unvermittelt: »Es tut mir Leid. Aber das Licht, es brannte so furchtbar!«
Ohne den Troll anzusehen, winkte Sten ab. »Das ist nicht der Ort und nicht die Zeit, um zu reden. Lass uns erst einmal in Sicherheit gelangen.« In Gedanken fügte er hinzu: Dann kann ich es immer noch beenden. Vielleicht war es ein Fehler gewesen zu glauben, dass er die Trolle kontrollieren konnte. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie zu töten und so sein Volk vor ihnen zu schützen. Aber mit der seltsamen Taubheit im Kopf und dem Rauschen in den Ohren konnte er kaum einen klaren Gedanken fassen, außer, dass sie sich verstecken mussten, falls die Menschen Orvols sie am Tage suchten.
18
Den Weg in die Zimmerflucht des Burgherrn, die hinter der großen Halle lag, legte Viçinia wie betäubt zurück. Die Nachricht, dass Sten cal Dabrân tot sein sollte, ermordet von Zorpad, hatte sie völlig unvorbereitet getroffen, und noch war sie zu verwirrt, um die schreckliche Neuigkeit überhaupt begreifen zu können. In wenigen Augenblicken aber würde sie Zorpad gegenübertreten, und dafür musste sie ruhig und gefasst wirken. Ohne Zweifel würde der Masride jede Schwäche ihrerseits spüren und auskosten. Das konnte sie nicht zulassen, also atmete sie einige Male tief durch und versuchte, sich auf die vor ihr liegende Begegnung zu konzentrieren.
Die kleine Halle, die sie betrat, diente gewöhnlich für Beratungen und Treffen Zorpads mit wenigen ausgewählten Gästen. Ein schwerer runder Eichentisch mit geschnitzten Löwenfüßen stand in der Mitte auf den polierten Bohlen des Fußbodens, umgeben von mit rotem Samt gepolsterten Sesseln. Zwei vergoldete Kandelaber standen auf der Tischplatte. Die Kerzen darin brannten jedoch nicht, da genug Tageslicht durch die Fenster fiel. Am Kopfende der Tafel stand ein reich verzierter Stuhl mit hoher Lehne. Auf dem Tisch lagen Karten und verschiedene Schriftstücke.
Auch hier hatten die Masriden die Wände mit dicken Teppichen behangen, auf denen man Szenen ihrer Geschichte und ihrer Legenden sehen konnte. Das Prunkstück war eine lange Bahn am hinteren Ende des Raumes, auf der die Schlacht von Hakkar in kräftigen, eindrucksvollen Farben dargestellt war, in welcher die Masriden das Heer des Dyrischen Imperators geschlagen hatten. In der Mitte des Bildes kämpfte Arkas Dîmminu vom Rücken seines gepanzerten Streitrosses aus, während um ihn herum die schwere Kavallerie der Masriden die Linien der imperialen Garde durchbrach.
Viçinia stand kerzengrade in der Eingangstür und hielt den Blick auf den Gobelin gerichtet, statt auf den Mann zu schauen, der mit dem Rücken zu ihr stand und aus einem der hohen Fenster blickte.
Neben ihr räusperte sich Bàjza, der Majordomus, um sie anzukündigen, doch Zorpad
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