Die Trolle
ist Eure List aufgegangen, Wlachakin. Auf dem verfluchten Sumpfboden des Mardew konntet Ihr uns zurückschlagen. Es war in der Tat sehr gerissen von Euch, diesen Ort zu wählen, an dem meine Reiterei nicht zum Zuge kam. Ich gratuliere Euch dazu! Doch dieses Mal wird der Sturm Euch hinwegfegen, wenn Ihr Euch mir entgegenstellt. Ihr wisst nichts, Viçinia. Mein Heer ist nun unbesiegbar!«
»Andere vor Euch sind auch schon dieser Hybris erlegen!«, hielt ihm Viçinia zornerfüllt entgegen, was ihn für einen Moment verstummen ließ. Wieder trat er auf sie zu, doch diesmal schloss seine Hand sich hart um ihre Kehle und nahm ihr den Atem.
»Entweder Ihr geht freiwillig, oder ich werde Euch den Kopf abschlagen, die Botschaft in Euer Lästermaul stecken und diesen hübsch geteert zu Ionna senden, bevor ich Euren Leib den Schweinen vorwerfe«, fauchte Zorpad sie an, während sie verzweifelt nach Luft rang. Sein Griff war eisern, und sie zweifelte nicht daran, dass er seine Drohung wahr machen würde. Sein vor Zorn verzogenes Gesicht verschwamm vor ihren Augen, und sie glaubte bereits, dass der Zeitpunkt ihres Todes gekommen war, doch dann ließ er von ihr ab und ging gemessenen Schrittes zurück zu den Fenstern, während sie sich hustend und keuchend auf den schweren Eichentisch stützte.
»Es ist Eure Wahl, Dame Viçinia. Ihr müsst nicht sogleich darauf antworten. Ich werde Euch demnächst eine Demonstration dessen geben, was mir meinen angestammten Platz in der Geschichte dieses armseligen Landes sichern wird. Ihr dürft Euch entfernen«, sagte er, ohne die Stimme zu erheben.
Sich den schmerzenden Hals reibend, verließ Viçinia den Saal und ging in Begleitung einer Wache zurück in ihre Gemächer. Diesmal hatte sie kein Auge für die Wandgemälde ihrer Vorfahren übrig, zu sehr beschäftigten sie all die schlechten Nachrichten und Zorpads Ankündigungen. Obwohl sie an ihre Schwester und den drohenden Krieg denken wollte, wanderten ihre Gedanken immer wieder zu Sten zurück.
Jeder hatte gewusst, dass Sten und seine Gefährten auf einem schmalen Grat wandelten, stets in Gefahr hinabzustürzen. Ihre Taten gaben den Wlachaken Hoffnung in dunklen Zeiten und waren den Masriden stets ein Dorn im Auge. Jedes Mal, wenn Sten wieder aus Désa ausgezogen war, war er in eine ungewisse Zukunft geritten, und Viçinia hatte das immer gewusst. Es gab keine Gnade für die Rebellen, die gefangen wurden. Zur Abschreckung wurden sie grausam hingerichtet und ihre Häupter auf Speere über die Tore der Städte gespießt.
Doch Sten hatte Zorpad auf die alte, traditionelle Weise der Wlachaken dem Tode preisgegeben. Vielleicht war es eine Lüge, vielleicht lebt S ten noch!, dachte Viçinia, und einen Augenblick lang keimte Hoffnung in ihr auf. Doch sofort meldete sich ihr Verstand, und als sie weiter darüber nachdachte, wurde ihr bewusst, dass Zorpad in dieser Angelegenheit nicht lügen würde. Vielmehr hatte er vermutlich verhindern wollen, dass die Wlachaken einen Märtyrer bekamen, indem er Sten heimlich hinrichten ließ. Andernfalls hätte es gewiss Versuche gegeben, den jungen Rebellen zu retten, oder man hätte ihn zumindest an seinem Grab beweint.
So hatte der Masride seinen Feind einfach in den dunklen Wäldern verschwinden lassen, den Rebellen einen wichtigen und klugen Kopf genommen und dem Volk einen Krieger, der unablässig für seine Sache stritt.
Mit einem Knall warf Viçinia die Tür zu ihrer Kemenate zu und rief Mirela zu sich. Ungeachtet der Proteste der jungen Frau warf Viçinia sie einfach aus ihren Gemächern und setzte sich auf ihr Bett.
Sten war tot, und Zorpad bereitete einen letzten Schlag gegen die Wlachaken vor. Natürlich wäre es ihm lieber, wenn diese auf sein Angebot eingingen. Dann könnte er sich ganz seinen beiden Rivalen um Arkas’ Erbe widmen, ohne sich Sorgen über die unterdrückten Einheimischen machen zu müssen, die ihm bei einem Krieg mit den anderen masridischen Adeligen sicherlich in den Rücken fallen würden. Gegen alle seine Feinde würde Zorpad nicht allein bestehen können, aber möglicherweise war er mächtig genug, um sie einzeln zu besiegen, wenn sie das zuließen. Doch es blieb die Frage, was er damit meinte, als er sein Heer als unbesiegbar gepriesen hatte. Und von welcher Demonstration sprach der Wahnsinnige?, fragte sich Viçinia still, doch es wollte ihr nichts einfallen. Umso drängender wurde es, mehr über die Geschehnisse in der Feste Remis herauszufinden. Ist S ten hier
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