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Die Trolle

Die Trolle

Titel: Die Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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winkte ab: »Ich kenne die Titel der Dame Viçinia, Bàjza.«
    »Jawohl, Herr«, erwiderte der alte Mann unterwürfig und entfernte sich aus dem Raum.
    Viçinia blieb an der Tür stehen und wartete. Die Zeit schien sich endlos zu dehnen. Das anhaltende Schweigen begann an ihren Nerven zu zerren. Das ist genau das, was Zorpad erreichen will, überlegte sie. Ich darf mich davon nicht einschüchtern lassen. Sie bemühte sich, eine ungerührte Miene aufzusetzen, während sie weiter den Wandteppich betrachtete.
    Nach der Schlacht, die hier dargestellt war, hatte sich das Imperium hinter die dicken Mauern seiner Städte zurückgezogen und versucht, den Sturm einfach auszusitzen. Monatelang hatte Arkas die Hauptstadt belagert und die umliegenden Ländereien verwüstet, bis der Imperator ein geradezu unglaubliches Lösegeld bezahlt hatte, damit die kriegerischen Masriden abzogen. Noch heute, mehr als zweihundert Sommer später, war Arkas ein Schreckensbild im Imperium, denn er hatte gezeigt, dass die vorher als unbesiegbar geltenden goldenen Heere dies keineswegs waren. Mit seinen Wagen voller Beute ist Arkas sodann über die Sorkaten gezogen und in Wlachkis eingefallen, dachte Viçinia bitter.
    Nach einer Weile ließ sie den Blick durch den Raum wandern. In diesem Beratungszimmer waren die Fenster mit gläsernen Scheiben statt mit dünn gespannten Tierhäuten versehen, ein ungeheurer Luxus, den Zorpad nutzte, um seine Gäste zu beeindrucken. Erst einmal hatte Viçinia das kühle, glatte und durchsichtige Material aus der Nähe gesehen und vorsichtig die kühle Oberfläche berührt. Doch jetzt beschäftigte sie weitaus mehr der breitschultrige Mann, der vor den Fenstern stand und sie weiterhin ignorierte.
    Noch immer trug Zorpad ein Gewand in den Farben seines Hauses, auch wenn er das Wams gewechselt hatte, das mit seinem Blut getränkt worden war. Der dunkelrote Stoff spannte sich über seinem Rücken, als wolle er jeden Augenblick bersten.
    Gerade als Viçinia sich entschieden hatte, dieses lächerliche Spiel zu beenden und selbst das Gespräch zu beginnen, drehte er sich zu ihr um und lächelte sie an, wobei seine Augen kalt und berechnend blieben.
    »Ihr fragt Euch vermutlich, warum ich Euch zu mir gerufen habe«, begann Zorpad.
    Mit einem angedeuteten Nicken bestätigte Viçinia seine Vermutung. Ihr Blick wanderte zu seinem Ärmel, unter dem sie einen Verband erkennen konnte. Die Verletzung schien den Masriden jedoch kaum zu behindern.
    »Die Neuigkeit, dass der gefährliche Verbrecher Sten cal Dabrân gefasst und der Gerechtigkeit zugeführt wurde, scheint Euch überrascht zu haben«, stellte Zorpad fest, als er ihren Blick bemerkte, doch Viçinia war darauf vorbereitet und versteckte sich hinter einer nichts sagenden Miene. »Ein wenig.«
    »Ihr kanntet ihn, nehme ich an? Immerhin lebte er eine Zeit lang am Hof Eurer Schwester.«
    »Ja, wir sind uns einige Male begegnet. Aber seit mehreren Sommern schon nicht mehr«, antwortete Viçinia ruhig.
    »Natürlich. Nun, die Gefahr, die von diesem Mann ausging, ist jetzt gebannt, und das Leben in Ardoly ist wieder ein klein wenig sicherer geworden«, stellte Zorpad fest.
    »Vermutlich«, sagte Viçinia, äußerlich ungerührt.
    »Dennoch, wir leben in gefährlichen Zeiten«, fuhr der muskulöse Mann fort, während er langsam wie eine Raubkatze um den großen, runden Tisch auf sie zukam. »Ich sorge mich um Eure Sicherheit.«
    »Meine Sicherheit? Stehe ich nicht unter Eurem Schutz, Herr?«
    »Doch, doch. Allerdings …«, erwiderte Zorpad, nur um dann abzubrechen und Viçinia in die Augen zu schauen, die verwirrt die Stirn runzelte.
    »Allerdings, Herr?«
    »Die Zeiten ändern sich. Das Land ist schwach. Es braucht eine starke Hand, um es wieder zu seiner ganzen Stärke zu führen. Eine Hand, die es einen kann.«
    »Eure Hand, nehme ich an?«, fragte Viçinia mit leisem Spott, doch dann verstummte sie, als sie Zorpads mörderischen Blick gewahrte. Innerhalb eines Herzschlags hatte der Masride sich jedoch wieder gefangen und nickte ihr herablassend lächelnd zu.
    »Wessen sonst? Wer außer mir hat die Kraft und den Willen, Ardoly zu einen? Es ist meine Bestimmung, mein Erbe, das Vermächtnis meines Vorfahren Arkas, dessen Blut in meinen Adern fließt«, fuhr Zorpad mit tiefer Stimme fort.
    »Es könnte einige geben, die anderer Meinung sind, Herr«, antwortete Viçinia vorsichtig, was Zorpad mit einer wegwerfenden Handbewegung quittierte: »Natürlich«, sagte er gelassen.

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