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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
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Luisa Treuentzien träumen."
    Da bist du nicht der Einzige, dachte Caspar bei sich.
    Am folgenden Mittag machte sich Clemens nach dem Kirchgang auf den Weg in Richtung Pilaren. Und Caspar erfuhr jetzt zum ersten Mal in seinem Leben, was Bruderhass bedeutete.
    Erst am späten Nachmittag kam Clemens zurück. „Mach Pause, Balthasar“, befreite Caspar seinen Bruder vom Musterlesen. Balthasar, der ohnehin nicht glücklich darüber gewesen war, am Sonntag Kästchen zu zählen und Schnüre zu bündeln, verzog sich in die Sonne, bevor es sich Caspar anders überlegen konnte.
    Caspar gesellte sich zu Clemens in den Hinterhof. Die Sonne knallte auf die dunkel gebeizten Bohlen der Hauswand, an der Clemens lehnte und ein Zigarillo anzündete. Caspar hatte nicht gewusst, dass sein Bruder rauchte. Wie dekadent!
    „Und?“ Caspar lehnte sich neben ihn an die Wand, die seinen Rücken wärmte.
    „Diese Augen, Caspar!“
    Dazu sagte er nichts.
    „Oh, diese Augen!“
    „Was habt ihr geredet?“
    „Sie hat fast gar nichts gesagt. Sie ist wohl eine sehr stille Natur.“
    Caspar kannte Luisa anders. „Sie muss doch irgendwas mit dir geredet haben.“
    „Nein, Kleiner. Es ist Aufgabe der Töchter zu schweigen, nicht zu reden. Konversation macht man mit den Eltern, nicht mit den Töchtern.“
    „Also hast du’s doch auf die Alte abgesehen.“
    Dafür erntete er einen Klaps auf den Hinterkopf, durchaus scherzhaft gemeint. „Kleiner, du verstehst die Mädchen nicht! Sie ziert sich, das nennt man züchtige Zurückhaltung.“
    „So?“
    „Oh ja.“ Clemens drehte sich um, lehnte die Stirn an das dunkle Holz der Hauswand und schloss die Augen. „Stille Wasser sind tief.“
    „Und dreckig“, ergänzte Caspar.
    „Sei nicht albern, sie ist so unberührt wie der liebe Balthasar.“
    „Was Balthasar angeht, sei dir mal nicht so sicher.“
    Clemens, der von seiner Familie offenbar keine Ahnung hatte, schaute Caspar neugierig an. Er zog am Zigarillo und stieß den Rauch langsam aus: „Sie macht mich wahnsinnig, Caspar, das kannst du dir nicht vorstellen. Ich kann an nichts anderes mehr denken als an sie und wie es wohl mit ihr sein würde.“
    „Was meinst du?“
    „Stell dich nicht so an. Wie es wohl mit ihr sein würde ... du weißt schon.“
    Caspars Magengegend verkrampfte sich schmerzhaft. Er würde seinen Bruder umbringen müssen, wenn der Luisa anrührte, so viel stand fest. „Hat sie ... hat sie dir gegenüber irgendwelche Andeutungen gemacht?“
    „Bist du irre? Die ist so diebessicher! Grade mal ihren Handschuh durfte ich küssen zum Abschied, sonst nichts.“ Clemens löste die Stirn von der Wand, lediglich, um an seinem Zigarillo zu ziehen. Dann verzog er das Gesicht vor Schmerz. Er litt wohl große Qualen, so verliebt war er.
    Die Brüder schwiegen eine Weile, aber Clemens konnte es damit nicht bewenden lassen. „Weißt du, Kasperle, ich glaube, das Mädchen ist so unbedarft und weiß noch nicht einmal, wie die Natur für Nachkommen sorgt.“
    Caspar schwieg, weil er es besser wusste. Sein Bruder tat ihm ein bisschen leid. „In ihren Briefen ... macht sie da irgendwelche Andeutungen?“ Wieso tat er das? Wieso war er so gemein? Er hatte die Briefe diktiert!
    „Du lieber Gott, nein, Caspar, sie schreibt über Narzissen und weiße Wolken und solchen Kram! Die ist die Unschuld vom Lande, glaub mir. Und bei dir? Da scheint mehr drin zu sein als Händchenhalten, oder?“
    Caspar zuckte mit den Achseln und nickte. Clemens seufzte und Caspar gönnte sich Clemens’ Neid. Er kam sich dabei schäbig vor. Aber wie konnte er an etwas anderes denken als an ihren Busen, ihre Schenkel, ihren Schoß, wenn sie über nichts anderes sprachen?
    „An Luisa Treuentzien ist kein Rankommen vor der Hochzeit.“
    „Hochzeit?“ Caspars Herz hüpfte erschrocken. „Habt ihr über die Hochzeit gesprochen?“
    „Noch nicht in Einzelheiten. Ich werd ihr einen Antrag machen – in aller Form. Nur Formalitäten.“
    „Wann?“ Weil Caspar sehr erschrocken klang, drehte Clemens seinen Kopf zu ihm.
    „Ich denke, an Elsbeths Hochzeit, bis dahin schreib ich ihr weiter.“
    Caspar war sich nicht sicher, ob er seine Faust in Clemens’ Magengegend rammen oder in sein Bett fliehen und heulen wollte. Clemens plapperte munter weiter: „Ich liebe sie sehr, kannst du dir das vorstellen?“
    Caspar nickte wahrheitsgemäß.
    Clemens strahlte über das ganze Gesicht, schnippte den aufgerauchten Zigarillostummel fort und umarmte Caspar ganz

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