Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
aufgeschlagenen Seiten. „Aber, Luisa, sag mir doch bitte, was dich das alles angeht?“
Sie stutzte. Wenn sie erwartet hatte, gehuldigt und gelobt zu werden, täuschte sie sich. Sie schickte ihre Blicke auf das Buch. Er hatte recht. „Gar nichts“, sagte sie und erhob sich. Sie war kaum an ihm vorbeigegangen, da hielt er sie am Handgelenk fest. „Der Zittauer Rat hat das Muster nicht als Meisterstück anerkannt.“
„Ach nein?“ Sie spürte seinen entschlossenen Griff. Das tat so gut, so gut.
„Nein, obwohl der Türpe ordentliche Überzeugungsarbeit geleistet hat. Hat nichts genützt.“
„Wieso?“ Wieso hielt er ihre Hand noch immer und schaute auf das Buch?
„Weil er ein Idiot ist.“
„Nein, ich meine ...“ Sie setzte sich wieder auf ihren Platz. „Wieso wurde es nicht als Meisterst...“ Sie war ja heilfroh, dass es so war, aber sie begriff das nicht. Caspar ließ ihre Hand los. Schade.
„Weil es zu einfach ist.“
„Ach wirklich?“
„Ja.“
Stille.
Sie beobachtete eine kleine Weile den Dampf, der aus den Keramikbechern aufstieg.
„Garn?“, fragte er.
„Hä?“
„Welches Garn soll ich nehmen?“
Sie folgte seinem Blick hinüber zum Zampelstuhl. „Ähm ... Kette in Leinen, Schuss in Baumwolle.“
„Nein: Kette in Leinen, Schuss in Leinen“, entgegnete er.
„Dann frag mich doch nicht! Außerdem mache immer noch ich die Auflage, und Vollleinen ist verboten.“
„Du solltest wissen, dass mein Vater nie gemischt webt. Nie! Also: Kette roh, Schuss gebleicht.“ Er nahm einen der herumliegenden Hornringe in die Hand und drehte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. „Na schön. Was schlägt die Verlegerin für eine Dichte vor?“
Ertappt! Sie hatte keine Ahnung und zuckte mit den Achseln.
Er grinste, trank Tee, den Hornring drehte er weiter zwischen den Fingern und dachte nach, wobei er seinen Blick aus dem Fenster in die Ferne schickte und seine Augen wieder verengte.
Sie liebte es, wenn seine Augen ganz schmale Schlitze wurden. Das hatte etwas Aufregendes an sich.
„Kette vierundvierzig Fäden je Zoll, Schuss hundertdreiundfünfzig Fäden pro Zoll. Bei welcher Bindung?“
„Was weiß denn ich?“, rief sie mit einem leichten Lachen aus.
„So wird aus dir keine Verlegerin, Fräulein Treuentzien.“ Was war das? Er knuffte sie gegen den Oberarm und ihr Herz machte einen Hüpfer. Jetzt waren sie Freunde, durchfuhr es sie. Jetzt waren sie richtig echte Freunde. „Also: Ich hab achtbindig in Kette und achtbindig in Schuss vorbereitet, weil ich ja irgendwie anfangen musste.“
Luisa nickte eifrig. „Genau, was ich getan hätte.“
Caspar grinste in seinen Becher, was Luisa sehr gut gefiel. „Welche Gütestufe?“ Die sieben Gütestufen reichten von „grob“ bis „superfein“. „Ist dir mal aufgefallen, dass du immer bei den Auflagen vergisst, die Gütestufe anzusagen?“ Sein bezauberndes Lächeln wollte nicht von seinem Gesicht verschwinden und Luisa errötete leicht, während sie ihm das Gewünschte erzählte. „Gut, dann nehmen wir Dreierfäden, das sollte für ‚feinfein‘ passen.“
Und endlich konnte Luisa mitreden, weil sie die Fadenstärken in- und auswendig kannte, denn schließlich war sie für das Materiallager zuständig. „Viererfaden, das geht schneller.“
Er lächelte unaufhörlich, was sie immer verlegener werden ließ. „Dann wird’s zerrig und nicht mehr feinfein!“
Ihre Gesichtszüge froren ein.
Er freute sich und warf einen grinsenden Blick in den Becher, aus dem er dann trank, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen. „Aber ...“, sagte er, nachdem der Becher wieder auf dem Tisch stand, „Sonntag, neunzehnter Dezember – das schaffen wir nicht.“ Sein Lächeln war fort.
„Caspar, bitte, ich muss den Termin einhalten, das Tuch soll zu Weihnachten in Leipzig sein. Die Postkutsche allein braucht schon zwei Tage. Und lass mal Schnee und Eis liegen, die den Transport ein paar Tage verzögern.“
Er schüttelte den Kopf, was sie ärgerte.
„Ich muss vier Tage für die Fahrt und einen Tag für das Geschäft einpla...“
„Moment mal!“, unterbrach er sie. „Du willst das Tuch selbst nach Leipzig schaffen?“
Sie nickte. Eine ausdrückliche Bedingung von Pauline Fernheim. Die Einladung würde noch per Post kommen, damit ihre Eltern sie fahren ließen.
Caspars Augen hatten nun ganz und gar nichts Rührendes mehr an sich, sondern blitzten auf. „Was wird wohl dein Verlobter dazu sagen?“
Sie schluckte. „Das ist ihm
Weitere Kostenlose Bücher