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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
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verwirrt: Sind Sie seine Arbeitgeberin, gegenüber der er zu Loyalität verpflichtet ist? Oder sind Sie irgendeine Außenstehende, die er mit Arroganz abstrafen möchte? Sind Sie die Expediteurin des Verlegers Liebig, den er aus tiefster Seele verabscheut? Oder sind Sie eine Frau, die ihn durch ihre Klugheit und ihren Wissensdurst fasziniert? Sind Sie eines der Mädchen aus dem Dorf, denen er die Köpfe verdreht, wenn er nur mit dem Finger schnippt? Oder sind Sie eine Frau von hohem Stand und enormer Bildung, der er lieber aus dem Wege gehen möchte? Sind Sie die Verlobte des Studiosus Kollmar? Oder sind Sie einfach nur die Frau, in die sich Caspar verliebt hat?“
    Elsbeth ließ ihre Worte wirken. Sie erwartete keine Erwiderung von Luisa, machte einen Knicks und ging ihres Weges.
    Elsbeths Worte hatten sich in Luisas Gehörgang verhakt. Sie spulte sie wieder und wieder ab, wie Garn von einer Rolle, und war überhaupt nicht bei der Sache, als es hieß, sich für den Erntedankball schick zu machen.
     
    Der Oktober sollte enden, wie er begonnen hatte: mit einem kräftigen Regenguss. Die Mandau stand hoch, die Sandwege waren unterspült. Es war gefährlich, am Fluss entlang zu spazieren. Man kam kaum mehr trocknen Fußes durchs Dorf, und damit man auf dem Weg in die Tanzscheune keine nassen Füße bekam, hatten die Schankleute Bretter über die Pfützen gelegt.
    Matthias sah wie immer tadellos aus in seinem feinen polnischen Rock, seinem Stehkragen, aus dem das makellos rasierte Kinn und die straffen Wangen lugten, auf denen der dunkle Streifen getrimmter Koteletten lag, die in geschniegelter dunkelbrauner Haarpracht mündeten. Das Haar über den hellen Augen war kurz gehalten, aber modisch zur Seite gekämmt, es unterstrich Matthias’ Hang zur Geradlinigkeit, seine Autorität und seine Seriosität.
    Zu zwölf Personen vereint saßen sie – die Treuentziens, die Großeltern Markant und die Kollmars – an einem der reich gedeckten Tische, die in der Scheune des Herrn Liebig aufgestellt worden waren. Die Damen versuchten die durch Matsch und Regenwasser besprenkelten Tanzschuhe und Kleidsäume zu verbergen. Die ausgelegten Bohlen und behelfsmäßigen Gehstege waren im Matsch gekentert. Aber die Tische in den vorderen Reihen blitzten unter weiß-in-weiß-karierten Damasttüchern. Hinten, wo das einfache Volk Platz fand, waren die Tische zwar blank, aber mit hübschen Laubgestecken geschmückt, die die Töchter feinerer Häuser tagelang gebastelt hatten. Außer Luisa. Sie hatte kein Geschick im Umgang mit Grünzeug.
    Luisas Schwestern – Ludovike, Josephine, Auguste und Stephanie – waren wegen des Erntedankballs sehr aufgeregt. Sie konnten kaum still sitzen und reckten die Hälse nach den jungen Männern. Stephanie hatte entschieden, welche Frisur und Josephine, welchen Schmuck Luisa tragen sollte. So war ihr eine schulterfreie bourdeauxfarbene Robe in schimmerndem Satin mit langen Puffärmeln und darüber ein schweres Schultertuch von derselben Farbe ausgesucht worden. Bettine hatte Luisas Haar gescheitelt, es im Nacken aufwändig gesteckt und die Seitenpartien als Korkenzieherlöckchen ausgelassen. Ein einfaches Silbercollier ohne aufwändige Anhänger sollte ihre Miene ein wenig aufhellen. Luisa befand ihren Aufzug als passend, denn das schwere Rot der Robe entsprach am ehesten ihrer Stimmung. Es fehlte nur noch der in Farbe und Bukett passende Wein, dachte Luisa, während sie sich im Saal nach der Familie Weber umsah. Doch sie konnte keinen von ihnen ausmachen.
    Die Eröffnungsrede hielt Johann Ehrenfried Liebig höchstselbst: eine überzogene Lobhudelei auf die Damastweberei und kein Wort zu den Unruhen, die kaum zwei Monate zurücklagen. Man war froh, wenigstens einen Abend lang die armen Kreaturen, die noch immer in Zittau im Bau saßen, vergessen zu können.
    „Was du für einen Grund hast zu schmollen, Luisa, würde ich doch wirklich gern mal wissen!“, zischelte Josephine, die sich amüsieren wollte, um jeden Preis. Eine schlecht gelaunte Schwester war da eher hinderlich, weil sie die jungen Männer fernhielt.
    „Manchmal braucht es keinen bestimmten Grund, manchmal ist man eben einfach nur so niedergeschlagen“, gesellte sich Christiana zu Luisa.
    „Du hast deinen Gotthelf und Luisa hat ihren Matthias an der Hand. Ihr jedenfalls müsst euch nicht darum scheren, wie ihr auf die jungen Männer wirkt. Wir schon!“, entgegnete Ludovike, deren Blick ein wenig länger, als es anständig gewesen wäre, am

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