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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
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Ihre Knie zitterten. „Was ist los?“, flüsterte Christiana, die nun einen Wechselreigen, eingehakt in Luisas Arm, vollführte, bevor man sich wieder den Männern zuwandte. Christiana folgte Luisas Blick und erspähte das Paar am Scheunentor. „Verlier jetzt bloß nicht die Nerven, Luisa, Achtung!“ Damit wurde Luisa von Christiana sacht in Matthias’ Arme geschoben. Peter Schiffner, fiel es Luisa ein, Peter Schiffner war der Name des Webers, mit dem Caspar vorhin ein offensichtlich kompliziertes Gespräch geführt hatte.
    Luisa blinzelte. Wie unpassend und anmaßend schien ihr dieser Tanz, der die Liebesmomente eines Paares nachzuahmen trachtete: Das Suchen der jungen Menschen nach dem richtigen Partner, ein Element, was an sich reiner Spott der Realität war und bei dem die Tanzpartner ständig wechselten, gefolgt von der ersten Begegnung, das verzagte gemeinsame Flanieren, die Trennung, der Austausch mit der besten Freundin, das Sich-wieder-Finden, die zaghaften Berührungen von Fingerspitzen und Händen, die Luisa nicht mit Matthias wechseln wollte, sondern mit einem anderen, die neuerliche Trennung und die endgültige Verbundenheit, die sie nicht Matthias gegenüber empfand.
    Der Tanz war zu Ende.
    Man stand einander dicht gegenüber. Die rechten Hände berührten sich kreuzweise vor ihren Herzen. Luisas Blick ruhte auf Matthias’ Vatermörderkragen, nicht auf dessen Gesicht. Dann ließ sie sich von ihm zu ihrem Tisch geleiten. Ein Blick zur Scheunentür. Caspar war nicht mehr dort. In Luisa zerbrach etwas in tausend Stücke. Sie hatte das Gefühl, in eine tiefe Traurigkeit zu fallen. Ihr Magen kribbelte. Ihr war übel. Der Boden wollte sie in sich aufsaugen. Ihre Beine waren müde, ihre Hände fieberten unter den Glacé-Handschuhen. „Bitte, Christiana, bitte finde irgendeine Ausrede für mich, ein Alibi ... ich muss ...“ Damit erhob sie sich, wühlte sich durch die Menschenmassen und verschwand nach draußen.
    Nach nur wenigen Schritten war ihr wollenes Umschlagtuch vollgesogen von Regen und bleischwer. Das Wasser floss in Rinnsalen von ihrem Hut auf ihre Schultern und tropfte in ihren Ausschnitt. Der Weg von der Liebig-Scheune hinunter nach Auf dem Sande war nie weiter gewesen als an diesem Abend. Luisa sah schon von Weitem Licht im Hause des Meisters Weber. Sie klopfte an, ungeduldig, und wich vor der Tür zurück, als diese geöffnet wurde.
    Zwischen ihr und Caspar lag eine von Tropfenringen gemusterte Pfütze wie ein unüberwindbarer Ozean.
    „Schon fertig mit Tanzen?“
    „Allerdings. Und wie geht’s Emilie?“
    „Emilie geht dich gar nichts an. Wie geht’s dem Kollmar?“
    „Lass das! Hast du mir beim Tanzen mit deinem zweiten Gesicht zugesehen? Aalst du dich jetzt in deinem eigenen Saft? Oder willst du endlich damit beginnen, offen mit mir zu sprechen?“ Sie hatte laut rufen müssen gegen den Wind und den Regen, der auf die letzten paar Laubblätter klatschte, die noch an den Bäumen hingen.
    „Wirst du sie heiraten? Ich habe nichts über dich und Emilie Schiffner im Zunftprotokoll gefunden.“
    „Du spionierst mir nach? Das ist wieder mal typisch! Erst die Wangern, jetzt die Schiffnern, ist irgendwer vor dir sicher, steht über jeden was in deinen schlauen Büchern? Ich hab’s so satt. Und jetzt hör mir zu, Luisa! Es geht dich nichts an!“
    Luisa kniff die Augen zusammen – gegen den Regen, gegen seine Worte. Ihre Augen brannten und jetzt liefen die Tränen. Sie drehte sich um und ging. Sie wollte nichts als weg aus dieser so peinlichen Lage. Er hatte ja recht: Sie hatte sich genug eingemischt.
     

     
    Das hatte er nicht sagen wollen. „Warte!“
    Sie wartete nicht. Wieso sollte sie?
    Mit zwei Schritten war er über die Pfütze gesprungen und kriegte Luisa am Arm zu fassen. Sie kämpfte nicht gegen ihn an. Er zog sie dicht zu sich heran, hielt sie fest umschlungen, nur kurz, weil es so schrecklich kalt war und nass. Egal ob sie in ihrer Umarmung beobachtet wurden, ganz egal.
    Er nahm ihre Hand und führte Luisa in die Stube.
    Da stand sie vor ihm mit ihrem mondblassen Gesicht, von dem der Regen perlte oder Tränen oder beides. Er angelte nach einem Tuch und wischte ihr Gesicht trocken. Der Hut war nicht so leicht von ihrem Kopf abzunehmen, weil ein Haufen Nadeln in ihrem Haar steckten. Die klatschnassen Federn gaben ein patschendes Geräusch von sich, als Caspar den Hut auf den Tisch legte. Luisas Haarsträhnen, die vor einer Viertelstunde noch glänzende, im Tanztakt

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