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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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nicht nur der Mittelfinger steil emporwuchs, sondern daran enganliegend auch der Zeigefinger. Eine Pistole, die zur Decke zielte.
    Der Arm strebte wie von einer unsichtbaren Seilmechanik gesteuert in die Höhe, der Unterarm kerzengerade. Die Hand mit den zwei ausgestreckten Fingern sollte unverkennbar ein Zeichen sein. Es war ein seltsamer Anblick. Hardy wirkte nun wie ein Priester im Leichensack, der selbst in diesem Zustand die Nachwelt segnet. Ali kannte das Handsignal. Er redete sich ein, daß es ihm lediglich bekannt vorkam, aber in Wahrheit kannte er es! Marokko, Marrakesch, die Souks, der alte, einäugige Krüppel, der ihn dorthin gelockt hatte, das finstere, stinkende Zimmer, das Mädchen mit den ozeangrünen, leuchtenden Augen auf der schmutzigen Pritsche ... Dennoch konnte er damit nichts anfangen, weder wußte er, was es bedeutete, noch konnte er diesem Zeichen einen Namen geben. Eine Störung in seinem Schädel verhinderte den Kontakt zwischen den entsprechenden Nervenbahnen und machte es unmöglich, dem instinktiv Erkannten einen Sinn zu verleihen. Das befremdete ihn mehr als das Mysterium, daß jemand im Koma seinen Arm hochheben konnte. Was wollte Hardy ihm bloß sagen? Nur eins wußte er:
     
    ETWAS SCHRECKLICHES IST GESCHEHEN!
    ETW AS SCHRECKLICHES IST GESCHEHEN!
    ETWAS SCHRECKLICHES IST GESCHEHEN!
     
    Dann jedoch wurde ihm schlagartig der Aberwitz des Ereignisses bewußt, und er fand zu einer normalen Reaktion zurück. Er rannte aus dem Stationszimmer, schnappte sich auf dem Flur den ersten Weißkittel, der ihm über den Weg lief, und erklärte ihm den Sachverhalt. Aber als beide daraufhin das Krankenzimmer stürmten, zeigte Hardy nicht mehr zur Decke, und er bot auch keine geheimnisvollen Handsignale dar. Er hatte sich gänzlich in den dauerschlafenden Patienten zurückverwandelt, ohne eine einzige Regung, reglos wie ein Stein. Sogar die Bettdecke war wieder glattgestrichen. Nachdem der Arzt Hardy untersucht, die Aufzeichnungen des EKGs gemustert, alle Instrumente auf ihre Funktionstüchtigkeit hin überprüft und nichts Ungewöhnliches zu entdecken vermocht hatte, beäugte er Seichtem mit einer Mischung aus Sorge und Mißtrauen. Bevor er ihm auch noch ein psychologisches Gespräch andienen konnte, war Ali schon aus der Tür.
    Er hatte sich später immer eingeredet, daß diese Begebenheit nichts gewesen wäre, worum man großes Aufhebens hätte machen müssen. Ja, im Laufe der Jahre hatte er die Sache in seiner Fälscherwerkstatt von Gedächtnis sogar solcherart verdreht, daß er am Ende tatsächlich glaubte, sie hätte nie stattgefunden. Aber in Wahrheit hatte sie stattgefunden! Und er hatte Ida nie davon erzählt. Eine wahrlich wunderliche Sache. Noch wunderlicher aber: Ali konnte sich sogar gegenwärtig, da er plötzlich wieder Hardys Stimme hörte, immer noch nicht der genauen Umstände von dessen Tod entsinnen. Obwohl er - wunderlich, äußerst wunderlich -, obwohl er darüber seinerzeit eine mehrere Gemälde umfassende Serie produziert hatte!
    »... Vielleicht können wir zusammen einen flotten Fünfer machen. Ist ja auch egal. Die Blonde hat jedenfalls einen Narren an dir gefressen. Wenn du auf solche Weiber aus der C-Liga überhaupt noch stehst. Wer weiß, unter einem Fotomodell tust du es ja ab jetzt vielleicht nicht mehr. Wie war die erste Nacht, du Killer?«
    Nun lebte Hardy also wieder, schandmaulig wie eh und je, nichts ahnend von seinen künftigen Komaabenteuern. Ali überlegte, ob er sich ein bißchen dessen Sorgen annehmen sollte, damit er in ein paar Jahren nicht diesen komischen Selbstmord beging. Und beschloß, es zu lassen. Schon seine Telefonstimme widerte ihn an, wie sollte er da diesen Killermist noch weiter ertragen, geschweige denn sich auf den aussichtslosen Kampf einlassen, einen unheilbaren Alkoholiker zu therapieren? Er wollte Hardy am liebsten zum Teufel jagen, jeden Kontakt mit ihm abbrechen. Natürlich mußte er noch eine Weile den Schein wahren, so tun, als klinge die Freundschaft ganz langsam aus, damit seine Umgebung nicht stutzig wurde. Aber dann war wirklich Schluß!
    Ali suchte nach einem Argument, das Gespräch, oder besser Hardys Monolog zu beenden. Da lieferte ihm der Zufall eins. Es klingelte an der Tür.
    »Hör zu, Hardy, es klingelt gerade, und wir haben hier noch eine Menge zu tun, bis wir uns richtig eingerichtet haben. Vielleicht sollten wir später noch mal telefonieren. Sagen wir, Ende der Woche.«
    Er hatte sich in der Zwischenzeit fast fertig

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