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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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als um seinen guten Ruf. So gesehen traf Monsieur Beauville an seinem Untergang weniger Schuld als seinen gottverdammten Steuerberater!
    Aber Moment mal - das alles war ja gar nicht passiert! Nein, es handelte sich bei dem Horrorszenario um ein Gedankenspiel. Ali hatte sich weder mit Florence eingelassen und es sich infolgedessen mit Gaston verscherzt noch seinen künstlerisch-kommerziellen Stellenwert eingebüßt noch eine Zahlungsaufforderung mit einer Summe aus dem Reich der Märchen und Fabeln erhalten. Nein, nichts, rein gar nichts war passiert.
    Weil wir uns erst im Jahre 1991 befinden, stellte Ali fest, und kehrte mit dem erleichterten Aufatmen eines erlösten Geisterbahnpassagiers am Ende der Strecke wieder auf seine Party zurück. Jener Gaston, der ihn in ferner Zukunft ruinieren würde, machte jetzt mit der freien Hand die Andeutung einer Umarmung und knatterte ihm ins Ohr: »Jetzt hast du es endgültig geschafft, mon ami !« Er klappte sein schmutziggelbes Nikotingebiß weit auf und lachte dröhnend. Er freute sich aus ganzem Herzen für ihn. Und jene Florence, die ihn eines Tages in den dunkelsten Abgrund der Lust reißen würde, jedoch im gegenwärtigen Zeitpunkt noch ein unschuldiges Kind war, löste sich vom Arm ihres Papas und warf sich ihm um den Hals. Ali spürte Idas Blick, so daß er sich sofort verkrampfte, unsicher, wie er reagieren sollte. Als Florence ihm auch noch einen schmatzenden Kuß auf den Mund drückte, errötete er sogar.
    »Du hast dir aber ein großes Haus gekauft, Onkel Ali!« sagte sie. »Darf ich dich hier öfter besuchen kommen als in der alten Wohnung?«
    Bevor sich die Situation zu einer gigantischen Peinlichkeit auswuchs, half ihm ausgerechnet Ida aus der Klemme.
    »Und ich, bleibe ich etwa ungeküßt, Florence?« sagte sie, ergriff das Mädchen und nahm es zu sich. Als sich seinerzeit die Tatsache nicht mehr hatte verleugnen lassen, daß die Geschäfte zum Stillstand gekommen waren, hatte er ihr die wahre Ursache des Desasters gestehen müssen. Sie erlitt einen Nervenzusammenbruch angesichts der Ungeheuerlichkeit, daß ausgerechnet das kleine Wesen, das sie wie an Kindes Statt angenommen hatte, ihr beider Leben zerstört hatte. Er kam deshalb aus dem Staunen nicht heraus, als sie gegenüber Florence, gegenüber der Familie Beauville überhaupt, nun dieses sanfte Verhalten an den Tag legte. Erst herzte sie das Mädchen in ihren Armen, dann küßte sie Gaston auf die Wangen. Sie schien mit der Vergangenheit so definitiv abgeschlossen zu haben wie mit der unheilvollen Zukunft.
    »Willst du mal sehen, wie es einem ergehen kann, wenn man sich weigert, immer nur brav Limonade zu trinken, mein Schatz?« scherzte sie mit Florence. »Komm mit, ich zeige dir einen verrückten Mann, der schon seit Jahren keine Limonade mehr getrunken hat.«
    Sie zwinkerte den beiden Männern zu und trug das Mädchen in Richtung Küche, von wo aus Hardys Geschwafel gleich dem Gebetssingsang einer exotischen Religion zu ihnen schwappte.
    Gaston trat an Ali näher heran und gab sich konspirativ. Er senkte die Stimme.
    »Ein wirklich beeindruckendes Haus, Ali. Aber wenn du hier noch länger die Möbel hin- und herrückst statt den Pinsel zu schwingen, kannst du dir gleich in der Gegend einen Job als Hausmeister suchen. Ich habe mindestens zwanzig Käufer an der Hand, die sich nach neuen Werken von dir verzehren. Drei Großformate würden mir für den Anfang schon reichen.«
    »Wieso nicht gleich zehn?«
    » Pardon? «
    »Folge mir, mon ami! «
    Während Ali im Atelier die an die Wand gelehnten mannshohen Gemälde überall auf dem Boden verteilte, humpelte der schrumpelgesichtige Galerist zwischen ihnen hindurch und musterte jedes einzelne Exemplar wortlos mit der Konzentration eines Beamten von der Spurensicherung. Er beugte sich vor, trat dann wieder etwas zurück, nahm fortdauernd eine andere Perspektive ein, blieb an Details hängen und kniff nachdenklich die Augen zusammen, bis er sich auch schon wieder dem nächsten Werk zuwandte. Schon wegen des gleichbleibenden Motivs ähnelten die Bilder einander, und doch war jedes von ihnen ein Original. Die auf die Zaunstäbe gestützte Gestalt, deren Gesicht wie durch die Tücke des Lichteinfalls oder der Perspektive stets unkenntlich blieb, schien jedesmal eine andere Botschaft auszustrahlen. Die Farben grün, blau und grau, düster und ein wenig schmutzig gehalten, prägten abwechselnd jeweils ein einzelnes Gemälde und trugen so zusätzlich zur

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