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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Schnarchen antworteten.
     
    In der folgenden Woche zeigte man dem Zug, dem Tel angehörte, einen Dokumentarfilm. Die Rekruten ließen sich in den engen Sitzreihen nieder. Manche drückten ihre Knie gegen die Lehnen der Stühle vor ihnen, einige rauchten Planktonzigaretten, die in der Kaserne zu erstehen waren. Tel hatte sie nie gemocht. Sie enthielten ein leichtes Beruhigungsmittel, das ihn schwindlig machte.
    Auf dem Schirm erscheint eine neblige Moorlandschaft, ähnlich der, die in den Klassenzimmern abgebildet ist. Grüner Schlamm blubbert um die Stengel verschlungener Pflanzen. Der Nebel hängt dicht herab. Dann wechselt die Szene zu einem festeren Streifen Land. Die Kamera nimmt einen Felsblock auf, eine Mulde, eine Maschine (ist das die 606-B?) und hält schließlich vor den Ruinen eines Barackenlagers an. Eine der Wände ist niedergebrannt und das Dach hängt herab. Hinter der verkohlten Tür zeigt sie einen Mann, der keinen Kopf mehr hat. Ein paar der Pritschen liegen umgestürzt in einer Ecke. Auf einem Haufen Bettzeug sind die Überreste von zwei Leichen zu sehen. Dann verläßt die Kamera die Baracke. An die Außenwand gelehnt, mit den Beinen in einem irren Winkel, sitzt ein grinsender Soldat. Seine Augen sind dunkle Löcher. Ein Insekt klettert über seine Lippen hinab zum Kinn.
    Weiter zieht die Kamera, vorbei an einem Wall aus Jutesäcken. Durch den immer dichter werdenden Nebel erkennt Tel den Stacheldraht über dem Wall. Dann ist der Nebel so stark, daß alles verschwindet. Die Kamera wandert weiter zu einer Reihe von Baracken, die der ersten ähneln, nur daß sie unbeschädigt sind. Ein paar Soldaten marschieren. Dann eine Nahaufnahme eines jungen Burschen, dessen Bartstoppeln sprießen. Er lächelt in die Kamera, blinzelt, und reibt sich mit fettigen Fingern das Kinn. Gleich darauf eine Ganzaufnahme des gleichen Soldaten. Er steht neben einer kompliziert aussehenden Maschine (das ist die 606-B ganz sicher nicht, denkt Tel. Oder doch?). Er kratzt sich an der Brust, schaut verlegen drein, dann macht er sich daran, die Maschine zu reparieren.
    Vor einer Baracke haben ein paar Männer Planken über den schlammigen Boden gelegt. Sie kauern oder sitzen mit übereinandergeschlagenen Beinen in einem unregelmäßigen Kreis darauf. Jemand in der Mitte dieses Kreises ordnet gerade fünfzehn Münzen zu einem Quadrat, dem eine Ecke fehlt. (Einige der Zuschauer lachen erleichtert, und einer ruft: »zwei und sechs!« Auch Tel lacht.) Plötzlich blicken die Männer von ihrem Spiel auf. Jemand steckt die Münzen ein, und alle laufen über eine Lichtung vor den Baracken. Die Kamera zeigt, wie einige der Soldaten in ein plumpes Raupenfahrzeug steigen, und dann die Beobachtungskuppel des Tanks, während der Fahrer gerade hinter den Armaturen Platz nimmt. Vier Panzer rollen hintereinander los, hinein in den Nebel.
    Gleich darauf konzentriert sich die Kamera auf eine neue Szene. Ein Tank ist inmitten eines dicht mit Vegetation bedeckten Sumpfabschnitts steckengeblieben, die Vorderseite ist bis über die Raupenkette versunken. Sieben Meter entfernt liegt ein anderer Tank völlig auf der Seite. Die Kamera nähert sich dem ersten. Die Beobachtungskuppel ist zerschmettert. Ein Stück der dicken Hülle ist wie Aluminiumfolie zusammengeknüllt und weggerissen. Die Kamera nähert sich dem Riß, um sich auf das zerstörte Innere zu konzentrieren …
    Der Schirm erlosch, die Lichter gingen an. Durch den schwarzen Riß war nichts zu sehen gewesen, aber Tel spürte, daß er am ganzen Körper schweißnaß war.
    »Meldet euch jetzt in den Werkstätten, denen ihr zugeteilt wurdet«, dröhnte die Stimme aus dem Lautsprecher.
    Zehn Minuten später zerlegte Tel eine Maschine, die ganz so aussah wie die, an der der junge Soldat im Film gearbeitet hatte. Er nahm eine ölige Platte ab, wischte sie an seinem Schurz sauber und las im bläulichen Deckenlicht der Werkstatt: 605-B.
    Er betrachtete die Maschine, dann hüstelte er verlegen und sagte: »Eh – ich glaube, das ist ein Irrtum.« Er kam sich komisch vor, in die leere Luft zu reden. Wenn die anderen fragten, erhielten sie höchstens auf jede zweite Frage eine Antwort. Aber jetzt klickte der Lautsprecher: »Was ist los, Rekrut Tel 211 BQ-T?«
    »Hätte ich nicht an einer 606 arbeiten sollen?«
    Eine Weile schwieg der Lautsprecher. Dann antwortete die angenehme Altstimme einer Frau. »Eine Korrektur erfolgt, wann und wenn nötig.«
    Plötzlich verkrampfte sich etwas in ihm, als ein

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