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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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erkundigte sich einer der Leibwächter.
    Petra schlug eine kleinere Konferenz in der Ratskammer vor. Die Ratsmitglieder ließen sich auf einer Seite des langen Tisches nieder, der König auf einem etwas erhobenen Stuhl am Kopfende und auf der anderen Seite Jon, Petra, Arkor, Catham und Clea.
    »Worum geht es?«
    Die Herzogin nickte Arkor zu, der sich erhob und an den Rat wandte. »Ich habe eine junge Dame mitgebracht, die Ihnen etwas sagen wird, das Sie alle bereits wissen, das Sie jedoch in Ihr Unterbewußtsein verbannt haben – etwas, das Sie alle taten, das Sie als einzige Lösung eines Problems bewußt beschlossen, aber nur unter der Zusicherung, daß Sie sich an diese Entscheidung nicht mehr erinnern müßten.« Er drehte sich Clea zu. »Haben Sie die Güte, Dr. Koshar, dem Rat zu sagen, was Sie dabei waren, mir zu erzählen.«
    Clea stand auf. Ihr Gesicht war kreideweiß. »Man wird mir nicht glauben«, murmelte sie. Doch dann wurde ihre Stimme fester, und sie wandte sich direkt an den Rat. »Sie werden mir nicht glauben. Aber Sie wissen trotzdem, daß es so ist.« Sie hielt inne. »Ich sprach zu mehreren von Ihnen vor etwa drei Jahren, als ich die Entdeckung machte, die es Ihnen ermöglichte, Menschen, Ausrüstung und Nachschub in den Krieg zu schicken. Damals wollten Sie es schon nicht glauben, und Sie werden es auch jetzt nicht: Es gibt überhaupt keinen Krieg! «
    Die Ratsmitglieder blickten einander verwirrt an.
    »Aber …«, stammelte einer von ihnen. »Aber dann – ich meine wo – sind alle unsere Soldaten?«
    »Sie liegen …« sie holte tief Luft. »… in winzigen Metallzellen, die wie Särge in den riesigen verbotenen Abteilungen von Telphar aufgestapelt sind.«
    »Und was machen sie dort?« fragte ein anderes Ratsmitglied.
    »Sie träumen Ihren Krieg! Jeder von ihnen versucht verzweifelt, seinen Weg in das, was er als Wirklichkeit kennt, zurückzuträumen. Natriumpentathol-Drogen halten sie in einem benommenen, aber hochempfänglichen Zustand. Drei Jahre ständiger Propaganda helfen ihnen, sich auf den Krieg zu konzentrieren. Sechs Wochen Grundausbildung, die dazu dient, einen Psychopathen aus selbst dem geistig Gesündesten zu machen, verleihen den Träumen den Anstrich der Wirklichkeit, in der jegliche Sinnesempfindung der echten Welt – das Geräusch zerknitternden Bettuchs, das Glitzern von Sonne auf Wasser, das Gefühl nassen Stoffes oder der Geruch modernen Holzes – in ein Mosaik gepreßt wird, das aus allem besteht, was der einzelne am meisten fürchtet oder liebt, und das Krieg genannt wird. All das wird von einem Computer mit einem Informations-Sortierungsmechanismus geleitet, der ganze Empfindungsmuster aus einem Gehirn entnehmen und in ein anderes übertragen kann, und all diese Träume miteinander koordiniert.«
    »Das ist ja lächerlich …«
    »Unmöglich …«
    »Ich glaube nichts davon …«
    Es war, als öffne der Zweifel eine geistige Schleuse. Es war, als hätte Jon plötzlich einen neuen Sinn entwickelt, so scharf wie die Sehkraft oder das Gehör.
    Was das Sehen betraf, schien ihm, als stünde er vor einem riesigen Muster heller Lichter, die rund um ihn aufstrahlten und sich doch vor ihm befanden. Und was das Hören betraf, erinnerte es ihn an die ersten Takte einer Symphonie, die erst noch zur Kadenz anschwellen mußten. Was den Tastsinn betraf, war es, als wirbelte ein Sturm aus gefrorenen und erhitzten Winden auf ihn zu, habe ihn jedoch noch nicht erreicht. Aber es konnte weder mit dem Augenlicht, dem Gehör, noch dem Tastsinn zu tun haben, denn immer noch spürte er die harte Lehne seines Stuhles, hörte er das Rascheln der Talare und sah die beunruhigten Gesichter, die erschrocken zusammengekniffenen Augen und die aufeinandergepreßten Lippen.
    »Weshalb schützten die telepathischen Wächter dieses Geheimnis in den Gehirnen?«
    Die Antwort kam wie mit Feuer geschriebenen Worten, mit der Musik brandender Wellen. Arkor sagte: »Weil sie nicht wußten, was sie sonst tun sollten. Dieser Krieg war eine Idee, die im Kopf des verstorbenen Königs entstand, doch ihre Samen finden sich in jedem einzelnen Gehirn in Toromon. Der einzige, der sich gegen den König stellte, selbst nachdem der Plan bereits gediehen war, war Premierminister Chargill, und deshalb mußte er sterben. Die Waldwächter konnten Ihnen, meine Herren und Damen Ratsmitglieder, weder helfen, noch Sie an der Ausführung dieser Idee hindern, weil sie sie nicht verstanden. Die Regierung erbat ihre

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