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Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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küsste.

22. KAPITEL
    »S chatz?«
    Spence schlug auf die Tasten der Schreibmaschine ein und tat so, als ob er sie nicht hörte.
    »Jeff?« Vorsichtig legte Bridget eine Hand auf seine Schulter.
    Er hörte auf zu schreiben und schaute zu ihr auf. »Du weißt doch, dass du mich nicht stören sollst, wenn ich arbeite.«
    »Aber du bist letzte Nacht nicht einmal ins Bett gekommen.«
    Er hasste diesen wehleidigen Unterton in ihrer Stimme, ihr Verlangen danach, ihn zu beglücken. Er verabscheute ihre Besorgnis. Und am meisten nervte ihn, dass sie ihn ablenkte.
    »Ich hoffe, der Lärm der Schreibmaschine hat dich nicht wach gehalten.« Eigentlich interessierte es ihn nicht besonders, ob es so gewesen war oder nicht. Er machte Fortschritte, war der ach so schwer fassbaren Muse dicht auf den Fersen, und das war das einzig Wichtige.
    »Nein, darum geht es nicht«, erwiderte Bridget. »Aber du brauchst doch deinen Schlaf.«
    »Ich kann noch mehr als genug schlafen, wenn ich tot bin. Doch im Moment fühle ich mich ganz besonders und über alle Maßen lebendig. Sei also so gut und lass mich weitermachen.«
    »Aber du hast das Mittagessen verpasst. Das sieht dir überhaupt nicht ähnlich.«
    Spence fragte sich, ob das ein Seitenhieb auf sein Gewicht gewesen sein sollte. Doch Bridget übte niemals Kritik. Sie besaß nicht genügend Vorstellungskraft, um mit Worten anzugreifen. Auf diesem Gebiet war Spence der amtierende Meister.
    »Es passt auch nicht zu mir, meine Arbeit für ein kleines romantisches Tête-à-Tête zu unterbrechen«, meinte er mürrisch. Dann sprach er im Dialekt von Ashley Wilkes: »Warum machst du es nicht wie die hübsche Scarlett und lässt dich vom Winde verwehen?«
    »Sei nicht so gemein, Schatz. Ich will dir doch nur helfen. Ich will, dass du glücklich bist. Und ich weiß, dass du es nur dann bist, wenn du an etwas arbeitest.«
    »Dann bring mich zur Ekstase«, antwortete er. »Und geh.«
    Bridget schluchzte leise auf. Spence ignorierte es. Schon längst galt seine Aufmerksamkeit wieder der zur Hälfte beschriebenen und den dreißig weiteren Seiten, die neben der Royal aufgestapelt waren. Er musste sie noch einmal gründlich überarbeiten, das war ihm bewusst, aber es war eine exzellente Arbeit. Seine beste seit vielen Jahren. Und er wollte den Fluss nicht unterbrechen.
    Die Tür wurde geöffnet und ohne aufzusehen rief er Bridget hinterher: »Wir sehen uns beim Abendessen.« Er wusste, dass das mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Lüge war.
    Leise fiel die Tür ins Schloss. Spence lächelte vor sich hin. Sie besaß nicht einmal genug Selbstbewusstsein, um die Tür in ihrer Wut hinter sich zuzuschlagen. Heute Abend würde sie sich entschuldigen, der Überzeugung sein, dass dieser kleine Streit allein ihre Schuld gewesen war.
    Von all den Englischstudentinnen und verheirateten Professorinnen und jungen Literaturagentinnen und Redaktionsassistentinnen, die geglaubt hatten, sie hätten sich in ihn verliebt, war sie bei Weitem sein angenehmstes Opfer. Doch letztendlich waren sie alle ohne Bedeutung, nur inhaltslose Stapel von Knochen, Gerüste, die ihn stützten, wenn die Einsamkeit unerträglich wurde. Wenn er arbeitete und wusste, dass es gut war, brauchte er die Liebe von niemandem außer sich selbst.
    »Und die Ihrige, natürlich«, wandte sich Spence schnell an Korbans Porträt, um sich nicht den Ärger seines kreativen Gönners zuzuziehen.
    Spence nahm das Manuskript und begann zu lesen. Die Anmut der Sprache, die straffe Satzstruktur, die ausdrucksstarken Beschreibungen – er hatte etwas Grandioses geschaffen. Er war noch nie einer von denen gewesen, die sich nicht selbst gern mal auf die Schulter klopften, doch dieses Mal hatte er selbst seine eigenen hochmütigen literarischen Standards übertroffen. Er würde sie alle in seinen Schatten stellen, von Chaucer über Keats bis hin zu King.
    Er stellte den Ursprung der Worte nicht in Frage. Dieses Mysterium überließ man lieber denjenigen, deren Lebensunterhalt von der akademischen Vivisektion der Geisteswissenschaften abhing. Trotzdem war ihm das Schreiben noch nie zuvor so leicht von der Hand gegangen wie letzte Nacht und heute.
    Automatisches Schreiben. So hatte es sich angefühlt.
    »Ghostwriting«, so bezeichnete Spence diese wenigen Situationen, in denen die Tinte losgelöst und wie von allein floss. Als ob das Papier und die Schreibmaschine sich die Worte von selbst aus der Luft zogen. Als ob seine Finger die richtigen Worte kannten, bevor es

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