Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kishwar Desai
Vom Netzwerk:
in seine sämtlichen Erkenntnisse einzuweihen. Und auch, ob er mich nicht vielleicht mit ganz anderen Absichten aufgesucht hatte. Die Chance auf eine Unterhaltung mit Durga könnte für ihn das angestrebte Ergebnis seines Techtelmechtels mit mir sein, mutmaßte ich. Also brachte ich ihm so schonend wie möglich bei, dass es noch viel zu früh war – so ein Treffen würde das ohnehin schon traumatisierte Mädchen nur noch mehr verstören. Außerdem wäre es ein Vertrauensbruch Amarjit gegenüber und wahrscheinlich sogar gegen das Gesetz.
    Als Nächstes wollte er dann wissen, ob er mich interviewen könne. Ich bekäme eine ganze Seite in der Sonntagsbeilage. Donnerwetter – das wäre allerdings um einiges besser als der schmachtende Vierzeiler im Kleinanzeigenteil, den ich meiner Mutter versprochen hatte.
    Ich sagte Gurmit, dass ich darüber nachdenken würde, schärfte ihm aber gleichzeitig ein, dass alles, was wir hier bisher besprochen hatten, absolut unter uns bleiben müsste, wenn ihm wirklich etwas daran lag, diese Untersuchung mit mir gemeinsam durchzuführen – bis ich ihm grünes Licht gab, in der Zeitung darüber zu schreiben.
    Nachdem der geschäftliche Teil vom Tisch war, habe ich den weiteren Abend zugegebenermaßen genossen. Um ganz ehrlich zu sein – Gurmit hat mir sehr geholfen, die Erinnerung an den Vormittag zu verdrängen. Er war zwar eigentlich ein wenig zu jung für mich (um mindestens fünfzehn Jahre), aber sei’s drum – langweilig war es mit ihm jedenfalls nicht. Was Demi Moore konnte, konnte ich schon lange … nur hatte ich unglücklicherweise mein Haar geölt und meinen roten Bindi von der Stirn entfernt und meine silbernen Ohrringe abgenommen und steckte in einem schlampigen Trainingsanzug. In Anbetracht der Stimmung, in die ich mich hineingesteigert hatte und in der ich durchaus bereit gewesen wäre, auch mal einen Schritt zu weit zu gehen, musste ich mich im Nachhinein dann doch fragen, wie der Abend hätte ausgehen können …
    â—† ◆ ◆
    An [email protected]
    Hallo, ich nehme mir heute mal ein wenig Zeit, während das Baby schläft, denn ich weiß, dass langsam etwas geschehen muss. Wir müssen alles tun, um Durga zu retten. Ich weiß, dass es riskant ist, das alles in einer Mail zu schreiben – aber ich habe das Gefühl, dass uns die Zeit davonrennt und es gewisse Dinge gibt, die du einfach wissen musst, und zwar sehr bald. Ich weiß nicht, ob irgendwas davon dir weiterhilft, aber trotzdem …
    Jedes Mal, wenn ich Mandy ansehe, wird mir klar, wie nahe ich daran gewesen bin, sie zu verlieren. Also glaube ich nicht, dass ich noch länger schweigen kann. Gleich bei meiner Ankunft in Jullundur habe ich gemerkt, wie besessen die Leute von ihren Söhnen sind. Anfangs hat mir das natürlich nicht so viel ausgemacht, weil ich ja fast alles tun und lassen durfte. Aber irgendwie ging mir diese Einstellung gegen den Strich. Es war schon schlimm genug, wie man Durga behandelte – aber dann bin ich eines Tages auf die Farm gekommen. Dort waren zwei Mädchen, die man aus Bihar geholt hatte. Sie heulten gleich los, als sie mich sahen, weil ich versuchte, mit ihnen ein Gespräch anzufangen, und noch niemand bisher versucht hatte, mit ihnen zu sprechen. Eines von ihnen hatte sogar Kinder – obwohl sie keinen Tag älter als dreizehn aussah!
    Ãœberhaupt diese ganze Art zu leben. Wenn Besuch kam, mussten sich alle Frauen auf die eine Seite setzen und die Männer setzten sich auf die andere. Es wurde nicht gern gesehen, wenn eine Frau versuchte, sich mit einem Mann zu unterhalten. Das war ein ganz schöner Stress für mich, aber ich wusste ja, dass wir in ein paar Monaten nach England zurückkehren würden und dass ich dann wieder mein eigenes Leben führen konnte. Also habe ich deswegen keinen Streit angefangen. Mein Vater hatte gerade einen Herzanfall hinter sich, und ich wollte nicht, dass sein Zustand sich verschlimmerte.
    Ich hatte allerdings keinen Schimmer, warum Santji so wild auf einen Enkel war, denn immerhin gab es ja Rahul. Ich kannte die genauen Verhältnisse nicht, aber ich wusste, dass meine Schwiegereltern ihn irgendwie adoptiert hatten. Ich merkte aber auch, dass mein Schwiegervater mit der Situation irgendwie nicht glücklich war. Also wurde gleich von Anfang an Druck auf mich ausgeübt, dass ich einen Sohn produziere,

Weitere Kostenlose Bücher