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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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neuem durch die strudelnde Brandung hinunter auf den Grund. Doch auch diesmal nichts, weder unter Wasser noch auf dem Wasser, nur der Wind, der Regen, die Dunkelheit und das dumpfe Brausen der Brandung. Und dann hörte er es plötzlich, hell und klar durch den Wind und durch das Brausen des Meeres hindurch.
    Der kleine, ängstliche Schrei des Kindes kam von rechts, vom Strand her, rund dreißig Meter von ihm entfernt. Nicolson warf sich herum und stürzte in diese Richtung, das tiefe Wasser verfluchend, das aus seinen unsicheren hastenden Schritten eine Bewegung von grotesker Langsamkeit machte. Wieder hörte er den Schrei des Kindes, diesmal kaum mehr als zehn Meter entfernt. Nicolson brüllte, hörte den antwortenden Ruf eines Mannes, und im nächsten Augenblick tauchte aus der Dunkelheit die breite Gestalt eines Mannes auf, so groß wie er selbst, der das Kind in seinen Armen hoch über Wasser hielt.
    »Sehr erfreut, Sie zu sehen, Mister Nicolson.« Van Effens Stimme klang merkwürdig schwach, als käme sie aus weiter Ferne. »Dem Kleinen ist nichts geschehen. Wenn Sie die Güte hätten, ihn mir abzunehmen.« Nicolson hatte gerade noch Zeit, sich rasch Peter zu schnappen, als der Holländer auch schon schwankte, im nächsten Augenblick kippte und der Länge nach, mit dem Gesicht nach unten, in das sprudelnde Wasser schlug.

Dreizehntes Kapitel
    D er Dschungel umgab sie von allen Seiten, feucht und heiß, eine tropfende, dampfende Hitze. Hoch oben öffneten sich in dem dichten Geflecht aus lianenbehangenen Zweigen winzige Durchblicke auf den grau verhangenen Himmel, der noch genauso aussah wie vor zwei Stunden, als er den Sonnenaufgang völlig verdeckt hatte. Das Licht, das diese Baumkronen durchließen, war seltsam unwirklich, düster und unheilverkündend, und es stimmte gut zusammen mit den dichten, grünen Wänden des Dschungels, die Platzangst verursachten, und mit den übelriechenden, giftig dunstenden Sümpfen, die zu beiden Seiten des Dschungelpfades lauerten.
    Selbst für einen Dschungelpfad war dieser Weg kaum ein Weg zu nennen. Soweit es sich um den Dschungel handelte, gestattete er zwar ein einigermaßen ungehindertes Durchkommen, und es war deutlich zu sehen, daß noch kürzlich auf beiden Seiten Äxte und Macheten eifrig am Werk gewesen waren. Doch als Weg war er reichlich heimtückisch: eben noch glatt und hart, von vielen Füßen festgetreten, um im nächsten Augenblick, während er um einen riesigen Baumstumpf herumbog, unvermittelt und unbegreiflich aufzuhören, im lauernden Sumpf zu verschwinden, bis er dann ein paar Meter weiter plötzlich wieder da war, glatt und fest wie zuvor.
    Nicolson und Vannier, die bereits bis zu den Hüften mit einer dicken Schicht des fauligen, übelriechenden Schlamms überzogen waren, kamen allmählich dahinter, wie man mit diesen plötzlichen Unterbrechungen des Pfades fertig werden konnte. Sie entdeckten nämlich, daß es jedesmal eine Möglichkeit gab, diese sumpfigen Stellen zu umgehen. Wenn sie lange genug nach dieser Umleitung suchten, dann fanden sie sie meist auch. Doch es dauerte ihnen allzulange, nach diesen Abzweigungen zu suchen, und mehr als einmal waren sie dabei von der Richtung des Hauptpfades so weit abgekommen, daß sie nur durch Zufall wieder darauf gestoßen waren. Wenn daher die Umgehungsmöglichkeit nicht sofort in die Augen fiel, zogen sie es jetzt vor, geradeaus durch die sumpfigen Stellen zu waten, bis sie auf der anderen Seite wieder festen Boden unter den Füßen hatten, wo sie dann jedesmal eine kurze Pause machten, um sich einigermaßen vom Schlamm zu befreien und die scheußlichen grauen Blutegel abzunehmen, die sich an ihren Beinen festgesaugt hatten. Dann hasteten sie weiter den Pfad entlang, der sich um die dicken Stämme schlängelte, so rasch ihnen das möglich war in dem unheimlichen Dämmerlicht des tropischen Urwalds, während sie sich nach besten Kräften bemühten, nicht auf das seltsame Rascheln und Knacken zu achten, das rechts und links neben ihnen herlief.
    Nicolson war Seemann, in erster Linie und auf ganzer Linie. An Land kannte er sich wenig aus, erst recht nicht im Dschungel. Wenn es nach ihm gegangen wäre, so hätte er einen solchen Ausflug nie und nimmer gemacht, er würde nicht einmal mit dem Gedanken gespielt haben, eine solche ›Landpartie‹ zu unternehmen. Doch er hatte keine Wahl gehabt, es war ihm überhaupt nichts anderes übriggeblieben; das war ihm auf eine grausame Weise klargeworden, als er sich im

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