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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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die Wassertemperatur zwischen fünfundzwanzig und dreißig Grad lag. Die Passagiere konnten nichts weiter tun, als im Schatten der Segel matt und schlaff zu liegen oder zu sitzen, zu leiden und zu schwitzen, und zu beten, daß die Sonne untergehen möge.
    Die Passagiere. Nicolson, der hinten auf der Ruderbank saß, die Pinne in der Hand, ließ seinen Blick langsam über die Insassen des Bootes schweifen, nahm ihre körperliche Verfassung in sich auf, ihre leblose Unbeweglichkeit, und preßte die Lippen zusammen. Für eine Fahrt in einem offenen Boot, in den Tropen, Hunderte, nein Tausende Meilen entfernt von jeder Hilfe und rings umgeben vom Feind und von Inseln, die der Feind besetzt hatte, hätte er sich schwerlich Passagiere aussuchen können, die ungeeigneter waren für die Bedienung des Bootes, und mit denen die Aussicht, durchzukommen, geringer war. Es gab natürlich Ausnahmen, Männer wie McKinnon und van Effen würden überall Ausnahmen dargestellt haben, doch was den Rest anging …
    Außer ihm befanden sich siebzehn Leute an Bord. Davon waren, soweit es sich darum handelte, mit dem Boot zu manövrieren oder es zu verteidigen, nur zwei eindeutige Aktivposten: McKinnon, durch nichts zu erschüttern, jeder Lage gewachsen, mit unerschöpflichen Reserven, zählte für zwei, und van Effen, eine für ihn im übrigen unbekannte Größe, hatte bereits Proben seines Mutes und seines Wertes im Falle der Gefahr abgelegt. Über Vannier ließ sich schwer etwas sagen; er war noch ein halber Junge, immerhin war es möglich, daß er sich anhaltenden Strapazen gewachsen zeigte, doch das mußte man abwarten. Walters, der immer noch bleich und mitgenommen aussah, würde eine sehr brauchbare Hilfe sein, sobald er sich wieder erholt hatte. Und das war eigentlich auch schon alles, was auf der Habenseite zu verbuchen war.
    Gordon, der Zweite Stewart, ein schmalgesichtiges Individuum mit wässerigen Augen, ein unheilbarer Kleptomane, von dem alle wußten, daß er klaute, war an diesem Nachmittag auf verdächtige und mysteriöse Weise von seiner Alarmstation verschwunden gewesen; er war weder ein Seemann noch ein Kämpfer, und von ihm war bestimmt nichts zu erwarten, was nicht seiner unmittelbaren Sicherheit und seinem eigenen Vorteil diente. Weder der mohammedanische Priester noch der sonderbare, rätselhafte Farnholme – sie saßen auf einer Ruderbank nebeneinander und unterhielten sich leise – hatten sich an diesem Nachmittag sonderlich hervorgetan. Was Willoughby anging, so gab es gewiß keinen gefälligeren und redlicheren Mann als ihn, doch wenn er nicht in seinem Maschinenraum oder bei seinen geliebten Büchern war, so gab es ungeachtet seiner geradezu rührenden Hilfsbereitschaft dennoch keinen hilfloseren und unbrauchbareren Menschen als den gütigen Zweiten Ingenieur. Der Kapitän, Rudergänger Evans, Korporal Fraser und Vollmatrose Jenkins waren so schwer verwundet, daß sie praktisch auch keine Hilfe bedeuteten. Alex, der junge Soldat – Nicolson hatte herausbekommen, daß er mit Nachnamen Sinclair hieß –, war so nervös und unruhig wie immer. Sein starrer, ängstlicher Blick sprang ruhelos und pausenlos von einem Bootsinsassen zum anderen, während seine Handflächen unablässig auf seinen Oberschenkeln hin und her fuhren, als ob er verzweifelt versuchte, sie an seinen Hosen sauber zu wischen. Blieben nur noch die drei Frauen und der kleine Peter – und wenn jemand die Chancen der ungleichen Wette noch weiter verschlechtern wollte, dachte Nicolson bitter, so waren da immer noch Siran und seine sechs Halsabschneider, keine zwanzig Meter hinter ihnen. Die Aussichten waren, alles in allem genommen, nicht rosig.
    Der einzige in den beiden Booten, der glücklich und unbeschwert war, das war der kleine Peter Tallon. Er hatte nichts weiter an als sehr kurze, weiße Trägerhosen, schien weder unter der Hitze noch unter sonst etwas zu leiden, sprang unentwegt auf der Ruderbank auf und ab, und mußte jede Minute ein dutzendmal davor gerettet werden, über Bord zu fallen. Vertrautheit erzeugt Vertrauen, und der Kleine hatte auch seine frühere Furcht vor den übrigen Mitgliedern der Crew weitgehend überwunden, traute aber Nicolson immer noch nicht so ganz. Jedesmal, wenn Nicolson, der auf seinem Platz an der Ruderpinne dem Kleinen am nächsten saß, ihm ein Stück Schiffszwieback hinhielt, dann sah Peter ihn mit scheuem Lächeln an, beugte sich vor, schnappte sich den Zwieback, wich wieder zurück und aß ihn auf,

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