Die Übermacht - 9
wurde ein wenig kühler, »ist sie klein genug, damit keiner von Clyntahns Augen oder Ohren hier in der Siddarmark etwas davon erfährt. Zumindest für eine Weile.«
Zhasyn Cahnyr nickte. Doch sein Blick wirkte besorgt. ›Madame Pahrsahns‹ Investitionen waren nicht annähernd so normal, wie sie das gern darstellte. Sie spielte ein gefährlicheres Spiel, als sie zuzugeben bereit war. Cahnyr war sich deutlich weniger sicher als sie selbst, dass die Inquisition von dieser ›privaten Investition‹ nichts erfahren würde – einer ›privaten Investition‹, bei der es um den Ankauf mehrerer tausend Musketen mit gezogenen Läufen und Bajonetten ging. Mehr noch, er hatte ernstlich Angst davor, was sie damit wohl zu tun beabsichtigte, wenn der Kauf erst einmal getätigt wäre.
Vielleicht ist es gut, dass sie dich nicht eingeweiht hat , sagte er sich selbst. Wenn du wüsstest, was sie vorhat, würdest du dir wahrscheinlich noch mehr Sorgen machen!
»Sie haben Ihren ›Ehrengästen‹ erklärt, dass hier ein gewisses Risiko besteht, oder nicht?«, fragte er dann und wechselte so bewusst das Thema.
»Aber natürlich, Zhasyn.« Sie lächelte und streichelte ihm sanft über die Wange. »Ich bewundere und respektiere Sie, mein Freund. Aber ich werde keinesfalls irgendwelche Schafe den Peitschenechsen zum Fraß vorwerfen, ohne vorher zumindest gründlich darüber nachgedacht zu haben. Ich war sehr vorsichtig bei der Auswahl, wen ich hinsichtlich Ihrer Einladung anspreche. Nach dem ersten Flirt – ich wäre fast geneigt, von einer Verführung zu sprechen, wenn es nicht angesichts meines vorherigen Berufs so sehr nach einem schlechten Witz klänge –, habe ich auch sehr sorgfältig darauf geachtet, sie alle über die damit einhergehenden Gefahren zu informieren. Deswegen habe ich auch immer nur einen oder höchstens zwei besagter Gäste gleichzeitig zu Ihnen geschickt. Wir können nun einmal nicht verhindern, dass Sie und ich wissen, um wen es hier geht. Aber so können wir ihre Identitäten wenigstens vor allen anderen geheim halten.«
»Vergeben Sie mir!« Er erwiderte das Lächeln und bedeckte mit seiner Linken sanft ihre Hand, die immer noch seine Wange streichelte. »Ich vergesse hin und wieder, wie lange Sie dergleichen schon tun. Ich sollte mich wirklich davor hüten, eine Meisterin Ihrer Kunst etwas lehren zu wollen.«
»Eine Meisterin meiner Kunst?« Sie schüttelte den Kopf, und ihre Augen blitzten. »Da habe ich mich so sehr bemüht, gänzlich auf jegliche Zweideutigkeiten zu verzichten!«
»Meine Liebe, ich weiß, dass es Sie zutiefst amüsiert, es immer und immer wieder zu versuchen: Aber Sie werden mich weder schockieren noch beleidigen, wenn Sie mir stets aufs Neue Ihre Vergangenheit unter die Nase reiben«, gab er zu bedenken.
»Ich weiß. Aber Sie haben Recht, es amüsiert mich wirklich. Das verrät wahrscheinlich einiges über mich.« Sie schüttelte den Kopf, lächelte aber immer noch. »Mein ursprüngliches Motiv, mich auf diese meine Kunst einzulassen, war Rebellion gegen den Hohen Klerus. Dass Sie, obwohl Sie so anders sind als die überwiegende Mehrheit Ihrer kirchlichen Brüder, ein Erzbischof sind, scheine ich einfach nicht vergessen zu können und fühle mich deswegen ständig bemüßigt, Sie mit meiner Vergangenheit zu provozieren.«
»Solange Sie nur Ihren Spaß haben«, sagte Cahnyr und blickte sich dann im Saal um. »Ich will jetzt nicht das Thema wechseln – obwohl ich genau das tue, und zwar aus genau diesem Grund: Wer ist der junge Bursche neben Sharghati?«
Sie folgte seinem Blick.
»Welcher der beiden? Der jüngere ist Byrk Raimahn, Claitahn Raimahns Enkel. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er gewisse reformistische Gedanken hegt. Möglicherweise würde er sich die Denkweise der Kirche von Charis aneignen, wenn es allein nach ihm ginge. Aber er ist entschieden zu schlau und zu gut informiert, um dergleichen jemals offen auszusprechen. Der Bursche, der neben ihm steht, ist Raif Ahlaixsyn. Er ist ungefähr zehn Jahre älter als der junge Raimahn und stammt aus der Siddarmark. Ich habe auch seinen Vater schon kennen gelernt. Die Familie hat Geld, und ich denke, sie würden es durchaus vorziehen, sich zurückzuhalten und sich für keine Seite zu entscheiden – aber bei Raif bin ich mir nicht ganz sicher. Noch nicht zumindest.« Nachdenklich runzelte sie die Stirn. »Ich sehe da ein gewisses Potenzial. Aber angesichts der Beziehungen, über die seine Familie verfügt, bin ich ganz
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