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Die Übermacht - 9

Die Übermacht - 9

Titel: Die Übermacht - 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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allerdings dabei bereits achteraus. Sir Dunkyn Yairley hatte dem Schiff seinen Willen aufgezwungen, und nun starrte er zu der Wetterfahne am Masttopp empor. Er wartete, betete darum, dass sein behelfsmäßiger Anker nicht ganz vergebens gewesen war. Yairley schätzte den richtigen Moment ab.
    Und dann ...
    »Lass fallen Kreuzmarssegel!«, brüllte er, als der Wind endlich von Steuerbord achteraus einkam. »Ruder steuerbord! Los die Fockbrassen! Los die Vorstengestagsegelschoten! Lee brassen vorholen! Anbrassen! Vorstengestagsegel durch den Wind! Lass fallen Großbramsegel und Großsegel! Holt an! Großbramsegel und Großsegel anbrassen!«
    Die Befehle ergingen mit der Präzision eines Metronoms, als hätte Yairley genau dieses Manöver schon hunderte Male durchführen lassen und seine Mannschaft täglich darin gedrillt. Sofort blähte sich das Kreuzmarssegel und beendete damit die rückwärtige Fahrt des Schiffes. Die Rahsegel am Fockmast und das Vormarsstengestagsegel, die bisher back gestanden hatten, wurden neu getrimmt. Dann blähte der Wind auch das Großbramsegel und das Großsegel, und plötzlich bewegte sich die Destiny ruhig und zuversichtlich, durchschnitt auf Backbordbug die kabbelige See, während die Gischt vor ihrem Bug aufstob. Während sie Fahrt aufnahm, kamen auch die schwimmenden Fässer ihres behelfsmäßigen Ruders wieder in die vorgesehene Position, und so zeigte das Schiff den Ruderbefehlen gegenüber zunehmend Gehorsam.
    »Geschafft, Jungs!«, brüllte jemand. »Ein dreifach Hoch auf den Captain!«
    HMS Destiny war ein Kriegsschiff der Imperial Charisian Navy, und bei der ICN herrschte eine professionelle Disziplin, die bei allen anderen Navys auf ganz Safehold ihres Gleichen suchte. Doch all die professionelle Disziplin war für einen kurzen Augenblick wie fortgeblasen: Jubelrufe und Pfiffe erklangen, während das Schiff sich immer weiter in Sicherheit brachte.
    Aufgebracht darüber fuhr Sir Dunkyn Yairley zu seinen Offizieren herum. Er sah sich jedoch einem First Lieutenant gegenüber, der über das ganze Gesicht grinste, und einem Ensign, der Freudensprünge vollführte und mit den Fingern beider Hände bemerkenswert laut schnippte.
    »Und was für ein Vorbild ist das, bitte schön, Master Lathyk?! Master Aplyn-Ahrmahk?!«, bellte der Captain.
    »Vermutlich kein sonderlich vorbildliches Vorbild, Sir«, erwiderte Lathyk. »Ich bitte auch untertänig um Verzeihung. Ich werde die Männer entsprechend rügen, Sir, versprochen! Aber jetzt lassen Sie sie erst einmal jubeln, Sir! Das haben sie sich wirklich verdient. Das haben sie sich bei Gott redlich verdient!«
    Fest blickte er Yairley in die Augen. Der Zorn des Captains legte sich merklich, als auch er selbst schließlich begriff, was sie da gerade geleistet hatten.
    »Ich habe den Quartermeister der Wache die Zeit nehmen lassen, Sir«, erklärte Aplyn-Ahrmahk, und Yairley blickte ihn verständnislos an. Der Ensign sprang zwar nicht mehr herum wie eine durchgedrehte Affenechse, aber er grinste immer noch wie ein Verrückter.
    »Drei Minuten«, erklärte der junge Ensign. »Drei Minuten – so lange haben Sie für das ganze Manöver gebraucht, Sir!«
    Aplyn-Ahrmahks Augen leuchteten vor Bewunderung. Einen Moment lang blickte Yairley ihn nur schweigend an. Dann lachte er, fast gegen seinen eigenen Willen.
    »Drei Minuten, sagen Sie, Master Aplyn-Ahrmahk?« Er schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, da täuschen Sie sich. Ich darf Ihnen aus eigener, persönlicher Erfahrung versichern: das eben waren mindestens drei Stunden! «

 
März,
im Jahr Gottes 895

.I.
Ehdwyrd Howsmyns Gießerei,
Grafschaft High Rock,
Altes Königreich Charis
    Die Flammen im Hochofen rasten und brüllten. Lodernde Wut spie der Ofen in die Nacht hinaus. Der stechende Geruch brennender Kohle vermischte sich mit den Gerüchen von glühendem Eisen, Schweiß und tausend weiteren Aromen, die Pater Paityr Wylsynn nicht einmal zu benennen vermochte. Der beißende Geruch von Entschlossenheit und schweren Geräten lag in der dunstig-feuchten Luft und kratzte Wylsynn selbst jetzt noch im Hals, wo er die Hochöfen und all die Arbeiter durch eine Glasscheibe hindurch betrachtete.
    Er stand da und blickte durch das Fenster von Ehdwyrd Howsmyns Arbeitszimmer in den heißen, schwülen Sommerabend hinaus. Er fragte sich, was ihn hierher gebracht hatte, was gerade mit seinem Verstand und seiner unsterblichen Seele geschah.
    »Ein Glas Wein, Pater?«, fragte Howsmyn, der hinter ihm stand. Der

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