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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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Abend nicht mehr zur Arbeit gekommen ist.«
    »Ja, stimmt, du hast Recht, das wird reichen.«
    Yoshië stellte immer wieder dieselben Fragen und wollte von Masako immer wieder dieselben Antworten hören, das schien der einzige Grund ihres Anrufs zu sein. Offenbar brauchte sie das zur Beruhigung. Bitte, verschon mich doch damit, dachte Masako nur entnervt.
    Vom anderen Ende der Leitung drang das Quengeln eines Kleinkinds zu ihr herüber. Masako erinnerte sich wieder an den Traum vom Morgen. An das allzu reale Gefühl, wie Nobuki mit aller Kraft an ihrer Jeans gezogen hatte. Masako war nun überzeugt, dass sie das nur geträumt hatte, weil sie Yoshiës Enkelkind gesehen hatte. Wenn sie es schaffte, alle Bestandteile des Alptraums auf diese Weise zu analysieren, würde sich ihre Angst bald in Luft aufgelöst haben.
    »Ja, aber...«, hörte sie wieder Yoshiës ängstliche Stimme. »Wir sehen uns heute Abend«, unterbrach sie sie und legte den Hörer auf. Kuniko hatte noch nicht angerufen. Aber sie war feige, und nach der Aktion gestern, bei der sie sie gehörig unter Druck gesetzt hatte, dürfte sie sich eine Weile brav verhalten.
    Während Masako dreckige Wäsche zum Waschen zusammensuchte, dachte sie an Jūmonji, dem sie gestern Abend nach all den Jahren wiederbegegnet war. Er dürfte sich in der Zwischenzeit mit unlauteren Geldgeschäften durchgeschlagen und satt am Ruin seiner Kunden verdient haben. Was aus Kunikos Schulden werden
würde, interessierte Masako herzlich wenig, aber eines war klar: Wenn Jūmonji Zeitung las, Yayois Namen aufschnappte und feststellte, dass sie diejenige war, die Kunikos Bürgschaft unterschrieben hatte, dann würde das Ärger bedeuten.
    Was für ein Mensch war Jūmonji gewesen? Masako kramte in den Tiefen ihres Gedächtnisses und versuchte sich seit langem wieder einmal an ihre Firmenzeit zu erinnern. Sie förderte nichts als unschöne Dinge zu Tage, an die sie am liebsten niemals wieder einen Gedanken verschwendet hätte.
    Sie ließ Wasser in die Waschmaschine einlaufen und gab Waschpulver dazu, als die Trommel voll genug war. Das weiße Pulver verschwand im Strudel, löste sich auf und ließ kleine Seifenblasen entstehen. Masako starrte darauf und schob langsam den Riegel zu ihrem Herzen auf.
     
    Jedes Mal, wenn sie sich an die Zeit in der Firma erinnerte, fiel ihr zuerst der Sake-Dienst zu Neujahr ein.
    Der Sake-Dienst auf der obligatorischen Neujahrsfeier der Sparund Darlehenskasse Tanashi, bei der Masako nach Abschluss der Oberschule zweiundzwanzig Jahre lang beschäftigt gewesen war. Die Spar- und Darlehenskasse veranstaltete jedes Jahr am Vortag des neuen Arbeitsjahres eine Neujahrsfeier, zu der traditionell die hohen Tiere der wichtigsten Geschäftspartner und der kapitalgebenden landwirtschaftlichen Genossenschaften eingeladen wurden. An diesem Tag mussten die weiblichen Angestellten in festlichen Kimonos zur Arbeit erscheinen. Diese Pflicht galt jedoch nur für die ersten Jahre nach Firmeneintritt, denn sie beschränkte sich natürlich auf die jungen Mitarbeiterinnen.
    Die anderen weiblichen Angestellten wurden in den Hintergrund verbannt, mussten Häppchen herrichten, Gläser spülen oder in der Teeküche den Sake warm machen. Für die Kraft erfordernden Arbeiten, wie Bierkästen schleppen oder das Umräumen des Sitzungssaals in einen festlichen Raum, waren die männlichen Angestellten zuständig, doch von morgens bis abends schuften durften die Frauen, denn sie mussten alles vorbereiten, während des Fests bedienen und hinterher aufräumen. Darüber hinaus verlor man durch diese Neujahrsfeier einen Urlaubstag, denn eigentlich waren die Tage zwischen dem alljährlichen Geschäftsschluss
am dreißigsten Dezember und dem Arbeitsbeginn am vierten Januar gesetzliche Feiertage. Obwohl also Erscheinen Pflicht war, bekam man mit der Begründung, es handele sich ja schließlich um ein Fest, keinen Lohn dafür.
    Irgendwann war Masako die Älteste unter den weiblichen Firmenangestellten, und von da an wurde sie nur noch für den Sake-Dienst eingeteilt. Das kümmerte sie nicht besonders, denn sie hasste es, im Rampenlicht zu stehen, aber den halben Tag in der engen Teeküche zu verbringen und die mit Sake gefüllten Karaffen im Wasserbad warm zu machen war auch kein Vergnügen. Von den alkoholisierten Dampfschwaden wurde einem schwindlig und schlecht. Außerdem kamen immer wieder betrunkene Angestellte herein, die die anderen Frauen zum Einschenken wegholten, so dass sie die meiste

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