Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
Blick.
»Verzeihen Sie die Frage, aber haben Sie wirklich die japanische Staatsbürgerschaft?«
»Ja. Mein Vater war Japaner, und meine Mutter ist Brasilianerin.«
»Ach, daher sind Sie so handsome «, sagte Imai und lachte. Kazuo hatte das Gefühl, wegen seiner Abstammung verspottet zu werden, und brachte nicht einmal ein Lächeln zustande.
»Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen, entschuldigen Sie bitte. Die Zeit, die wir dafür brauchen, wird Ihnen als Arbeitszeit angerechnet.«
»Ja, danke.« Jetzt wird es ernst, dachte Kazuo nervös und machte sich innerlich bereit. Aber auf die Frage, die ihm der Inspektor dann stellte, wäre er im Leben nicht gekommen.
»Kennen Sie Frau Yayoi Yamamoto?«
Verwundert schaute Kazuo den Dolmetscher an, der auf eine Antwort drängte.
»Ja, ich kenne sie«, sagte er und nickte. Er hatte keine Ahnung, worauf Imai hinauswollte.
»Tja, dann wissen Sie wohl auch, was mit dem Mann von Frau Yamamoto geschehen ist?«
»Ja, weil alle darüber geredet haben.«
Worum ging es bei diesen Fragen eigentlich? Kazuo verlor allmählich die Nerven.
Der Inspektor fragte unbeirrt weiter. »Sind Sie dem Mann von Frau Yamamoto einmal begegnet?«
»Nein, nie.«
»Haben Sie denn einmal mit Frau Yamamoto selbst gesprochen?«
»Ich grüße sie manchmal, aber... Worum geht es bei diesem Verhör eigentlich?«
Den letzten Teil seiner Antwort schien der Dolmetscher nicht übersetzt zu haben, denn der Inspektor fuhr fort, ohne darauf einzugehen.
»Am Dienstagabend der letzten Woche hatten Sie keine Schicht, ist das richtig? Können Sie mir bitte sagen, was Sie an diesem Tag gemacht haben?«
»Werde ich verdächtigt?« Kazuo war bestürzt über die ganz und gar unerwartete Richtung, die das Gespräch nahm, aber gleichzeitig machte es ihn auch wütend. Weil er mit dieser Sache absolut nichts zu tun hatte.
»Nein, nein«, winkte der Inspektor mit einem Lächeln ab. »Wir ziehen lediglich Erkundigungen über den Bekanntenkreis von Frau Yamamoto ein. Und dazu befragen wir routinemäßig alle Beschäftigten, die am Dienstag vergangener Woche freihatten.«
Das überzeugte Kazuo zwar nicht ganz, aber er teilte dem Inspektor mit, was ihm von jenem Tag einfiel: »Bis mittags habe ich geschlafen. Danach bin ich nach Ōizumi gefahren und habe den halben Tag im Brazilian Plaza verbracht. Gegen neun Uhr abends bin ich auf mein Zimmer zurückgekommen und ins Bett gegangen.«
»Aber Ihr Zimmergenosse sagt, dass Sie an jenem Abend nicht zu Hause waren«, konstatierte der Inspektor mit Blick in sein Notizheft und einem Aha-Ausdruck im Gesicht.
Kazuo widersprach: »Alberto hat mich nur nicht bemerkt, weil er seine Freundin mit aufs Zimmer gebracht hat, aber ich lag in meinem Bett und habe geschlafen, ganz sicher, daran besteht kein Zweifel.«
»Aber warum sollte er Sie nicht bemerkt haben?«
»Wir haben ein Etagenbett, mein Bett ist das obere. Dort lag ich und schlief, deshalb haben sie von mir nichts mitbekommen.« Kazuo erinnerte sich jetzt wieder lebhaft an jenen Abend und wurde rot.
»Ach so, verstehe. Ihr Mitbewohner hatte ja seine Freundin mit aufs Zimmer gebracht, nicht wahr?«, reagierte der Inspektor geistesgegenwärtig und grinste verschmitzt. Kazuo, dem das alles peinlich war, schaute sich verlegen in dem menschenleeren Büroraum um. Die Schreibtische waren in drei Reihen aufgestellt, und auf jedem Tisch stand ein Computer, der mit einer durchsichtigen
Vinyl-Haube abgedeckt war. Als sein Blick darüberglitt, fiel ihm wieder ein, dass er in Japan eigentlich auch vorgehabt hatte, einen Computerkurs zu machen. Stattdessen transportierte er jetzt gekochten Reis an Fließbänder, was ihm plötzlich unglaublich schwachsinnig vorkam.
»Und was haben Sie während der Nacht gemacht – sind Sie im Zimmer geblieben?«
Kazuo wusste nicht, was er antworten sollte. In jener Nacht hatte er Masako überfallen, es danach vor lauter schlechtem Gewissen nicht ausgehalten und war die ganze Nacht in der Gegend herumgelaufen. Bei Morgengrauen hatte es zu regnen angefangen, deshalb war er einmal auf sein Zimmer zurückgekehrt, um einen Schirm zu holen, und war dann wieder hinausgegangen und hatte auf Masako gewartet. Alberto, sein Zimmergenosse, konnte davon nichts wissen, weil er Schicht in der Fabrik gehabt hatte.
»Ich bin spazieren gegangen.«
»Die ganze Nacht? Wo denn?«
»Hier, in der Nähe der Fabrik.«
»Und warum?«
»Ohne besonderen Grund. Im Zimmer ist mir irgendwie die Decke auf den Kopf
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